Im Forst die Fichte, im Acker der Mais

 

Neues Waldsterben, Insektenschwund und Klimawandel - die Bürger begehren auf

 

Der Wald hat die Deutschen schon immer bewegt. Anfang der 1983er war sein Sterben sogar eines der Themen, das den Grünen in den Bundestag verhalf. Knapp 40 Jahre später ist das Vertrauen in Parteien erheblich gesunken, die Auswirkung des Klimawandels, der große Artenschwund und die Plünderung der natürlichen Ressourcen führte zu einer Vielzahl von Graswurzelbewegungen mit außergewöhnlichem Mitgliederwachstum.

 

Zum Schutz des Waldes vor industriell-effizienter Plünderung bildeten sich in fast allen Bundesländern lokale Bürgerinitiativen, die sich 2017 in einer Dachorganisation, der BundesBürgerInitiative WaldSchutz (BBIWS) vernetzten. Nicht nur das Vertrauen in die Politik war gesunken; nach den Forstreformen der Länder führte das Vorgehen der Forstbetriebe und Landesforsten zu erheblichem Vertrauensverlust in Förster. Überall kritisierten die Bürger dieselben Veränderungen und wurden mit dem Begriff der "ordnungsgemäßen Forstwirtschaft" abgespeist, wenn sie sich beschwerten. Gegen die Seilschaften der Forstökonomie gründeten sie deshalb Netzwerke der Waldökologie.

 

Dieses Jahr wird die BBIWS drei Jahre alt und stellt sich und einige ihrer Waldinitiativen im Kritischen Agrarbericht 2020 vor. Das Thema Wald in dem vom AgrarBündnis heraus­gegebenen agrarpolitischen Jahrbuch macht durchaus Sinn. Die Agrarwirtschaft beschritt einen Weg von familiengeführten Bauernhöfen zu industriell anmutenden Großunternehmen und hat mit riesigen Maschinen, enormen Pestizid- und Düngermengen sowie mit Maisäckern für Biogasanlagen einen wesentlichen Anteil am Verlust der Artenvielfalt und an der Verödung der Landschaft.

 

Diesen Weg beschreitet auch die Forstwirtschaft: Eintönige Reihen gleicher und gleichalter Bäume bilden einen Holzacker, darin für regelmäßige Eingriffe Rückegassen wie Traktorspuren. Die Bäume zu jung geerntet von bodenschädigenden Großmaschinen, abtransportiert über schwerlastfähige Forststraßen. Gegen Käfer oder Falter werden mancherorts Pestizide per Hubschrauber versprüht. Trotz großer Aufbruchsstimmung nach dem ersten Waldsterben prägen noch immer Nadelbaummonokulturen den deutschen Wald, ein Pendant zum Maisacker.

 

2018/19 litten Landwirtschaft und Forstwirtschaft gleichermaßen unter der Dürre. Im Wald führte sie zu Bränden, zu flächigem Absterben der Fichten und zu sechsbeinigen Forstschädlingen, die über die abwehrgeschwächten Nadelbäume herfielen. Selbst Buchen begannen zu sterben, zumindest in Revieren mit langjähriger intensiver Beförsterung. Die BBIWS sah darin eine traurige Bestätigung ihrer Kritik an den Methoden der Forstwirtschaft.

 

Das neue Waldsterben bewegte auch die Politik, die Landwirtschaftministerin lud zum Waldgipfel ein. Aber auch hier bewahrheitete sich, was schon andere NGOs an der Politik bemängelten: Der Waldbau ist wie der Landbau fest in der Hand von sehr konservativen Lobbygruppen. Kritik und Forderungen von Umweltverbänden und waldbewegten Bürgern werden als romantische Spinnerei abgetan. Öffentlichkeitswirksam wurden sogar neue Fichten gepflanzt, auf kahlgeräumten und zerfahrenen Holzäckern.

 

Trotzdem sieht die BBIWS Licht im Waldesdunkel. Einzelne Kommunen und Forstbezirke kehrten nämlich bereits der traditionellen Holzwirtschaft den Rücken. Der Göttinger und der Lübecker Stadtwald, der Passauer Kirchwald oder das Revier Hümmel des Forstrebells Peter Wohlleben arbeiten nach ökologischeren Konzepten, baum- und bodenschonend mit Vertrauen in einen Wald, der eines am besten selbst kann: wachsen.

 

Auch in der Politik keimt ein Hoffnungssprössling: 2019 bekannten sich Bündnis 90/Die Grünen dazu, den "konsequenten Waldumbau" von "naturfernen Wirtschaftsforsten" zu "standortgerechten naturnahen Öko-Wäldern" zu fördern. Die vielen in der BBIWS zusammengeschlossenen Waldfreunde hoffen, dass auch die anderen Parteien sich dieser Sicht bald anschließen, denn nicht nur in der Kulturlandschaft fehlen die Wildbienen und Schmetterlinge, auch im Wald ist das Insektensterben angekommen. Um über 40 Prozent ist die Insektenbiomasse dort seit 2008 zurückgegangen. Momentan sieht es also noch düster aus im deutschen Wald. Dort herrscht, wie die schwedische Autorin Kerstin Ekman es nennt, "Forstwirtschaft mit Ausrottungskapazität".

 

Petra Ludwig-Sidow

 

Links zu den Artikeln

 

Das Kapitel der BBIWS im Kritischen Agrarbericht 2020: "»Ordnungsgemäße« Zerstörung"

 

Kritischer Agrarbericht 2020

 

Lászlo Maráz

Der lichte Wald - fahrlässiger Umgang mit Wäldern in der Klimakrise

 

Peter Gerhardt

Wälder unter Druck 

Warum die Bioökonomie unsere Biosphäre bedroht