Zum Tag des Baumes am 25. April 2020
Altbäume für Brennholz und Grillkohle - kein Respekt vor der betagten Baumgesellschaft!
Vor fast 150 Jahren dachte ein Politiker namens Julius Sterling Morton in Nebraska ans Bäumepflanzen und beantragte den „Arbor Day“, den Tag des Baumes, um mit der jährlichen Aktion die Bedeutung dieser phantastischen Gewächse für Mensch und Wirtschaft ins öffentliche Bewusstsein zu rücken.
Der Tag ist geblieben, die Wertschätzung des Baumes hat sich aber eindeutig verlagert – und zwar zu seinem und der Umwelt Schaden vom Menschen auf seinen wirtschaftlichen Nutzen. Sichtbar wurde das trotz Dürrejahren und Waldsterben gerade wieder im letzten Winter am Umgang der Forstwirtschaft mit der älteren Baumgesellschaft in unseren Wirtschaftswäldern und Naturschutzgebieten (in denen Forstwirtschaft erlaubt ist!) – die stattlich Herangewachsenen wurden in hoher Zahl für die Vermarktung abgesägt. Kann eine Buche um die 300 Jahre alt werden, so gilt sie der Forstwirtschaft hierzulande schon mit ca. 80 Jahren als „erntereif“, denn der Wald als Wirtschaftsfaktor wurde und wird nach wie vor entgegen allen Waldumbauversprechen - hin zu resilienten und artenreichen Wäldern - von den Forsten auf schnelles Wachstum bei kurzer Lebensdauer getrimmt. Entsprechend sehen unsere Wälder aus – dünne Stangenreihen, die die Menschen schon als „alt“ empfinden, wenn sie gerade mal ihr Teenageralter erreicht haben, weil es eben dazwischen die alte Baumgesellschaft zum Vergleich nicht mehr gibt.
Nun könnte man unisono mit forstwirtschaftlicher Ertragslehre sagen, „na ja, die Alten bringen nicht mehr viel. Sie wachsen gerne in krummen Verästelungen, haben Baumhöhlen in den Stämmen und sind ein Eldorado für Pilze und Faulstellen, die nur Arbeit bei der Verkehrssicherung machen – Verlust auf ganzer Linie!“.
Könnte man sagen, würde aber von der Wissenschaft schnell eines Besseren belehrt. Alte Bäume sind nämlich echte Biodiversitäts-Riesen, die Hotspots der Artenvielfalt, die es nicht nur in dem verschwindend kleinen Flächenanteil naturbelassener Wälder braucht, sondern gerade auch in unseren großflächigen Wirtschaftswäldern. Diese könnten nach erfolgreicher Ausräumung der Agrarlandschaft ein Refugium für die Tier- und Pflanzenwelt sein, wenn man sie denn ließe. Denn was der Spaziergänger in Corona-Zeiten im vielgerühmten Erholungswald wieder verstärkt wahrnimmt, sind enorme Eingriffe in die Waldnatur: industrialisierte Baumernte mit Maschinen-Schwergewichten, die den Wald nicht nur seines Dunkels, sondern im Laubbestand vor allem der „Alten“ berauben.
Damit schwinden wider besseres Wissen nicht nur das der Wasserspeicherung dienende feuchte Waldinnenklima unter den großen schützenden Laubkronen, sondern gerade auch die elementar wichtigen Naturwaldstrukturen, die oft zitierte Biodiversität, die sich in „strukturgebundenen Artengruppen und Schlüsselarten“ manifestiert. In einfachen Worten: ohne Altbäume gibt es im Wald immer mehr waldspezifische Pflanzen und Tiere, die die vielfältigen Höhlungen, Totholzäste, Rindenstrukturen und Zerfallsphasen eines alten Baumes einfach nicht mehr vorfinden und – verschwinden. Und nun mal ehrlich – wir wissen doch längst, dass wir auf alle diese Co-Lebewesen für unser eigenes Überleben nicht verzichten können. Das gerne zitierte Argument, dass sich in den lichten Leerräumen der gefällten Riesen ja andere Offenlandarten breitmachten, kann jedenfalls den Verlust der Waldarten nicht wettmachen. Wie auch? Sie gehören dort einfach nicht hin.
Besonders schlimm stellt sich dieser verheerende Umgang mit alten Baumriesen etwa in den noch ursprünglichen FFH-Gebieten der Buchenurwälder der Karpaten dar. Hier werden trotz Schutzstatus illegale Kahlschläge geduldet, denen die Methusalems für Brennholz und Grillkohle zum Opfer fallen. Denn für Wertholz sind die im Wuchs eigensinnigen alten Gesellen meist unbrauchbar. So landen sie als Billigholz über europäische Holzverarbeiter in unseren Öfen und bestücken das Sommergrillvergnügen.
Und selbst bei uns in Deutschland wird in der Forstwirtschaft kein Wort darüber verloren, was mit dem Buchenholz passiert. Auch hier stehen Brennholz und andere kurzlebige Produkte im Vordergrund.
Wie bedeutend alte Bäume mit großem Kronenumfang gerade für die CO2 Speicherung im Klimawandel sind, belegt eine internationale Studie. An 48 Waldarealen zeigt sie auf, dass vor allem umfangreiche Bäume besonders wichtig für die Speicherung von oberiridischem Kohlenstoff sind – im Durchschnitt machen nur 1 % der Altbäume in naturbelassenen Wäldern die Hälfte der gesamten Biomasse aus! (1) .
Deshalb – der „Tag des Baumes“ mag durch publikumswirksame Pflanzaktionen die Bedeutung des (Wald-)Baumes für den Menschen ins Gedächtnis rufen – im Hinblick auf die alltägliche Forstwirtschaft wird er aber ad absurdum geführt. Viel wichtiger wäre hier die Werbung und der Respekt für den Altbaum, den man ja nicht pflanzen kann, sondern einfach stehen lassen müsste – weniger Aktionismus also für ein Vielfaches an ökologischer Bedeutung für Artenvielfalt und Klimawandel.
(1) Global importance of large-diameter trees: James A. Lutz et al.; Global Ecology and Biogeography, 2018; 27:849–864, DOI: 10.1111/geb.12747
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