Bild:  P. Ludwig-Sidow
Bild: P. Ludwig-Sidow

 

 Presseinformation vom 4. Mai 2019

 

Insektensterben in Wald und Flur -

Pestizide der Forstwirtschaft bedrohen die Insekten- und Vogelwelt des Waldes

 

 

"Die Zerstörung der Artenvielfalt und der Ökosysteme hat ein Niveau erreicht, das unser Wohlergehen mindestens genauso bedroht wie der durch den Menschen verursachte Klimawandel" (Robert Wilson, Präsident des Weltbiodiversitätsrates)

 

Seit 2017 ist das Insektensterben in aller Munde, denn es ist inzwischen unübersehbar. Bisher war vor allem die Landwirtschaft mit ihren Pestiziden und ihrem Stickstoffüberschuss als Verursacher im Fokus und der Vogelschwund betrifft derzeit noch vor allem die Vögel der Feldflur. Messungen des Umweltinstitutes München 2018 zeigen, dass die Agrargifte sogar kilometerweit in die Umgebung verdriftet werden und so auch an den besonders wichtigen, artenreichen Waldrändern ihre Wirkung tun. Und nun will auch noch die Forstwirtschaft selbst Pestizide versprühen.

 

Anfragen der Mitglieder der BundesBürgerInitiative WaldSchutz (BBIWS) in mehreren Bundesländer ergaben, dass 2019 zum Generalangriff auf die Insekten des Waldes geblasen werden soll. Nach einer Recherche des BBIWS-Forstwissenschaftlers Martin Bertram steht in Brandenburg die Sprühattacke zum Ausbringen eines synthetischen Pyrethroids per Hubschrauber unmittelbar bevor, obwohl nicht alle Waldeigentümer damit einverstanden sind. Die NGO "Rettet den Regenwald" wendet sich nun mit einer Petition gegen den Gifteinsatz.

 

Das Ziel des Breitband-Insektizids sind verschiedene Falter, die sich über die dürregeschädigten Kiefernmonokulturen hermachen. In anderen Bundesländern sollen einzelne Borkenkäferarten bekämpft werden, die sich in den von der Trockenheit 2018 angeschlagenen Fichtenwäldern vermehren konnten. Instabile Nadelwaldmonokulturen sind aber eine Folge rein ökonomisch orientierten forstlichen Handelns, welches der natürlichen Waldentwicklung entgegen wirkt.

 

Die Bekämpfung der Forstschädlinge wirkt nun zusätzlich der Evolution entgegen. Die Breitband-Insektizide, die die Forstwirtschaft einsetzt, sind nämlich nicht nur fatal für die Zielorganismen. Sie töten auch andere Insekten des Waldes und damit auch die Fraßfeinde der forstschädlichen Falter und Käfer. Normalerweise reagieren die Fraßfeinde nämlich durch eine rasche Vermehrung auf Borkenkäfer- oder Spinnerschwemmen, so dass sie die Baumschädlinge wieder reduzieren. Aber diese natürliche wellenförmige Entwicklung wird durch Gifteinsätze unterbunden.

 

So manche Feinde der Fraßgesellschaften hat die Forstwirtschaft schon an den Rand des Aussterbens gebracht, beispielsweise den Großen Puppenräuber, ein prachtvoll grünschillernder Laufkäfer von 35 Millimetern Länge, der mit seiner Populationsentwicklung sofort auf Massenvermehrungen von Forstschädlingen reagiert und so ein effektiver Fraßfeind von Eichenprozessionsspinner oder Schwammspinner ist. Auch den Falter namens Nonne, der am liebsten an Fichten und Kiefern frisst, hat der Große Puppenräuber auf seinem Speisezettel. In Deutschland ist er inzwischen in fünf Bundesländern ausgestorben, in fünf weiteren vom Aussterben bedroht. Spinnerkalamitäten verlaufen daher viel fataler als früher.

 

Foto Carsten Pusch:                       Großer Puppenräuber
Foto Carsten Pusch: Großer Puppenräuber

Wohin soll diese Krieg gegen unsere Insekten noch führen? Warum setzt man nicht bei den Ursachen für die Anfälligkeit der Forste an? Die Ursachen von Insektenkalamitäten sind nämlich die Forste selbst! Jahrhundertelange försterliche Behandlung hat mit dem Schaffen von WaldUNnatur die Pforten geöffnet für Immunreaktionen der Natur. Für die Natur sind Fichten- oder Kiefernmonokulturen Krankheitsherde, die es auszumerzen gilt. Und so ist es wie bei einer Autoimmunerkrankung: Der Wald bekämpft sich selbst.

 

Nur eine Waldwende kann diesen Mechanismus stoppen. Dürreschäden, Waldbrände, Kalamitäten, Windwurfflächen; all das sollte als Aufruf und hilfreicher erster Schritt zu einem neuen, gelassenen Umgang mit dem Wald gesehen werden, ein neuer Umgang, der mit dem Wald arbeitet statt gegen ihn. Dies dauert und erfordert Geduld. Es erfordert auch die Hinnahme anfänglicher Verluste. Aber das Ergebnis wäre ein Wald, der nicht nur in seiner natürlichen Schönheit dem Bürger tiefe Erholung vom Alltagsstress ermöglicht, sondern der resilient ist gegen Klimaänderungen und gewappnet gegen schwere Kalamitäten. Und langfristig könnte er sogar bessere Erträge bringen.

 

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BBIWS-PM_Insektizide im Wald.pdf
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