Der Kaisermantel an Waldrändern und - lichtungen:  auch er entwickelt sich aus einer Raupe, die vom Gifteinsatz betroffen ist. Foto: J. Dörr
Der Kaisermantel an Waldrändern und - lichtungen: auch er entwickelt sich aus einer Raupe, die vom Gifteinsatz betroffen ist. Foto: J. Dörr

 

 

Pressemitteilung                                                                                      22.März 2020

 

 

„Ist es der Eichen-Festmeterpreis wert, Lebensräume ohne Leben zu schaffen?“

 

Geplanten Gifteinsatz in Thüringen stoppen – sofort!

 

 

Nach Ansicht der BundesBürgerInitiative WaldSchutz (BBIWS) gemeinsam mit der in Thüringen aktiven BI Pro Ettersberg ist der geplante Einsatz von Insektengiften gegen den Eichenprozessionsspinner in den thüringischen Forstämtern Weiden, Heldburg, Sondershausen und Finsterberge ein weiteres Zeichen für die komplett hektische und zudem unökologische Denk- und Vorgehensweise der für den staatlichen Forst zuständigen Verantwortlichen.

 

Wir fordern den Landesbetrieb Thüringen-Forst daher auf, den für Ende April geplanten Einsatz des Insektizids Mimic umgehend einzustellen.

 

Der Insektizideinsatz würde die natürlichen Regulationsmechanismen im Wald weiter empfindlich stören und zu einer weiteren Schwächung des Ökosystems führen. Zudem ist die Dimension des ökologischen Schadens, den das Insektizid möglicherweise anrichten könnte, noch weitgehend unerforscht.

 

 

Mimic – ein Insektizid mit „Breitbandwirkung“ in Zeiten des Insektensterbens

 

Mit dieser Meinung stehen wir nicht allein, wie ein Interview der MAINPOST mit Robert Hock, Entwicklungsbiologe am Biozentrum der Universität Würzburg zeigt (Auszug):

 

„Nun wird das Insektizid „Mimic“ gegen den Schwammspinner gespritzt. Ist das auch für andere Insekten gefährlich?

 

Robert Hock: Das Insektizid „Mimic“ (Wirkstoff Tebufenozid), das jetzt zur Bekämpfung des Schwammspinners eingesetzt wird, imitiert die Wirkung des Häutungshormons. Es löst eine vorzeitige Häutung der Raupen aus und verhindert so die normale Entwicklung der Tiere. Die Entwicklung wird aber genauso bei allen sich zu diesem Zeitpunkt entwickelnden Gliederfüßlern wie Insekten, Spinnen, Krebsen, Tausendfüßlern und bei Fadenwürmern gestört. Jetzt im Frühjahr beginnen sich sehr viele Käfer, Schmetterlinge, Bienen, Hummeln, Heuschrecken, Libellen und Fliegen zu entwickeln. Sie werden ganz genauso getroffen. Wenn man also von Insektensterben spricht: Hier ist ein Grund.“

 

Welche Folgen könnte der Gifteinsatz noch auf unsere Umwelt haben?

 

Robert Hock: Mimic beeinträchtigt auch die Qualität der Böden. Fadenwürmer beispielsweise sind essenziell für die Bodenqualität. Sie bauen Totholz und Laub ab. Die Insekten und ihre Larven sind Hauptnahrungsquelle für die Vögel zur Aufzucht ihrer Brut. Ein Meisenpaar mit Jungen benötigt bis zu 150 Kilogramm Raupen und Insekten pro Jahr. Bis zu 8000 Raupen werden bei einer Brut verfüttert.

 

Nach der großflächigen Vernichtung der Raupen fehlt den Vögeln die eiweißreiche Hauptnahrung. Um ihre Erstbrut durchzubekommen, müssen sie einen riesigen Mehraufwand betreiben. Eine Zweitbrut fällt dann oft sogar aus. Wenn man immer weniger Vögel sieht: hier ist ein Grund. Betroffen sind auch kleine Bachflohkrebse, die die Nahrungsgrundlage für viele Fischlarven sind. Wenn diese Nahrungsquelle wegfällt, wachsen sie nicht. Wenn die Angler und Fischer immer weniger Fische fangen. Hier wäre ein Grund."

 

Halten Sie den Einsatz von Mimic für gerechtfertigt?

 

Robert Hock: Nicht der Schwammspinner ist das Problem für unsere Eichen. Beide existieren schon seit Tausenden von Jahren nebeneinander. Es ist der gegenwärtig hohe Festmeterpreis für Eichenholz. Und der größte Waldbesitzer in Bayern ist der Freistaat. Doch ist es der Eichen-Festmeterpreis wert, Lebensräume ohne Leben zu schaffen?“

 

Quelle: https://www.mainpost.de/regional/wuerzburg/Kritik-am-Insektizideinsatz-Was-nuetzt-ein-Wald-ohne-Tiere;art735,9951690

 

 

Auszug aus dem Sicherheitsdatenblatt von Mimic

 

Vollständiger Wortlaut der in Abschnitt 2 und 3 aufgeführten H- und EUH-Sätze (soweit nicht bereits in diesen Abschnitten aufgeführt).

 

H302 Gesundheitsschädlich bei Verschlucken.

 

H315 Verursacht Hautreizungen.

 

H317 Kann allergische Hautreaktionen verursachen.

 

H318 Verursacht schwere Augenschäden.

 

H319 Verursacht schwere Augenreizung.

 

H400 Sehr giftig für Wasserorganismen.

 

H411 Giftig für Wasserorganismen, mit langfristiger Wirkung.

 

 

Wälder brauchen als ein sich selbst regulierendes System keine forstwirtschaftlich motivierten Interventionen, sondern ein fundiertes Ökosystem-Management. Davon ist Thüringen-Forst weit entfernt.

 

Seit den Reformen der Landesforstverwaltungen ist zunehmend eine „holzfabrikmäßige“ Nutzung der Wälder vor den Gemeinwohlfunktionen in den Vordergrund gerückt. Die gesetzlich festgeschriebenen Schutz- und Erholungsfunktionen des Waldes haben dabei stark an Bedeutung verloren.

 

 

Wälder ohne Schutz

 

„Unsere Wälder sind schutzlos einer industriemäßigen Forst- und Holzwirtschaft ausgeliefert“, stellt die BBIWS fest. Da in nahezu allen Bundesländern die gleiche Problematik in Sachen Forstwirtschaft zu beobachten ist, können wir nicht mehr länger tatenlos zusehen, wie unsere Wälder immer mehr ausgebeutet werden und das Prinzip der ökologischen Nachhaltigkeit auf der Strecke bleibt. Es ist allerhöchste Zeit für ein schnelles Umdenken und Umlenken sowie für eine eingehende Überprüfung der Bewirtschaftungsgrundsätze. Wir brauchen dringend einen grundlegenden Politikwechsel im deutschen Wald!

 

Politikwechsel gefordert

 

Die BBIWS fordert daher gemeinsam mit der vor Ort aktiven BI pro Ettersberg, den mit der Forstreform beschrittenen Weg umgehend zu verlassen. Staatliche Forstbetriebe dürften nicht länger vornehmlich erwerbswirtschaftlich und profitorientiert wirtschaften. Der Wald ist in Zeiten des Klimawandels und Waldsterbens mehr als nur ein Holzlieferant. Sein Schutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

 

Die Bürger haben dort ein Recht auf Information und Beteiligung. Dieses wird jedoch von den staatlichen Forstbetrieben systematisch verweigert und es wird immer wieder bei Anfragen auf das sogenannte „Betriebsgeheimnis“ verwiesen. Ein untragbares Argument bei der Bewirtschaftung des Staatswaldes, der allen Bürgern gemeinsam gehört und nicht privatwirtschaftlich organisiert ist.