von Franz-Josef Adrian
Es war einmal ein Förster, der erzählte gerne das Märchen von der „Artenarmut im dunklen Buchenwald". Er klagte darüber, dass es in „dichten Buchenwäldern“ zu einer „Reduzierung der Artenvielfalt“ komme. Schuld daran sei die „Lichtarmut am Boden“ wegen des geschlossenen Kronendachs der Buchen. So würden arme lichtbedürftige Arten verdrängt. Der böse Wald mit seinem dichten Baumbestand sei schlicht zu dunkel! Auf gar keinen Fall dürfe man ihn sich selbst überlassen. Der Wald bedürfe der vernünftigen „Pflege“ des Försters. Zum Wohle der Artenvielfalt müssten Bäume „entnommen“ werden. Durch die Baumfällungen werde das Baumkronendach ordentlich „gelichtet“. So gelange mehr Licht auf den Waldboden, und wo mehr Licht sei, da könne auch endlich etwas wachsen. Gerne erzählte dieser Förster dann von den Brombeer-, Himbeer- und Holundersträuchern und den vielen guten Kräutern, die nach der „Pflege“ endlich wieder Licht zum Wachsen hätten.
Das Märchen von der vermeintlichen Artenarmut im Buchenwald ist in den letzten Jahren einer gründlichen Kritik unterzogen worden. (siehe z. B. den Aufsatz "Mythos Artenarmut - Biodiversität von Buchenwäldern" von Thorsten Assmann u. a., Natur und Landschaft, Heft 9/10 2007, S. 401 - 406).
Wenn Förster das Märchen trotzdem erzählen, beweisen sie entweder ihre Unkenntnis der Fachliteratur oder die bewusste Absicht, Baumfällungen durch falsche Behauptungen zu rechtfertigen.
Aktueller Stand der Forschung ist:
· Nach umfangreichen Baumfällungen erhöht sich ohne Frage die Artenvielfalt.
Aber:
In die offenen, nun baumlosen Flächen dringen Arten ein, die gar nicht in einen naturbelassenen Buchenwald hineingehören: Adlerfarn, Weidenröschen, Springkraut, Flatterbinse, Brennnessel usw. sind keine Waldarten, sondern Offenlandarten. Wo aber sollen auf den kahlen Flächen Spechte, Fledermäuse und Holzkäfer ihre Höhlen finden?
Die Behauptung, Buchenwälder seien artenarm und die Artenvielfalt profitiere von Baumfällungen, ist also Unsinn. Es ist eines von zahlreichen Förstermärchen.