Offener Brief an Herrn Bundesminister Cem Özdemir

 

Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft

Wilhelmstraße 54

 

10117 Berlin

Postanschrift: 11055 Berlin

                                                                                                                    Neustadt, den 25.09.2024

 

Betreff: Offener Brief zur Novellierung des Bundeswaldgesetzes

 

 

Sehr geehrter Herr Bundesminister Özdemir,

 

durch die Medien erfährt man, dass viele Waldbesitzerverbände und die Forst- und Holzlobby im Großen und Ganzen sehr zufrieden mit dem aktuellen Referentenentwurf zum neuen BWaldG sind, das nach massiven Protesten anscheinend abgewandelt und entschärft wurde.

 

Offenbar haben diese Verbände und Lobbyisten schon Kenntnisse, die uns als “Normalbürgern” nicht zur Einsicht vorliegen. Warum wird dieser Referentenentwurf des neuen BWaldG, der jetzt zur Ressortabstimmung freigegeben wurde, der Öffentlichkeit vorenthalten? Anscheinend wird wieder einmal dem Druck eines profitorientierten, laut protestierenden Industriezweiges nachgegeben. Anscheinend werden wieder einmal wichtige Argumente für einen verstärkten Waldschutz übergangen und nur die Forderungen der Wirtschaftsverbände beachtet. Die Interessen der Bürger am Waldschutz zur Erhaltung und Weiterentwicklung wertvollster Ökosystemleistungen werden offensichtlich nicht berücksichtigt. Der aktuelle Waldzustandsbericht beweist doch einmal mehr sehr deutlich, in welch schlechtem Zustand unsere Wälder mittlerweile sind, verursacht insbesondere durch die “gute forstwirtschaftliche Praxis” (Auswirkungen u.a. die Fichten-Monokulturen in Altersklassenbeständen).

 

Wir fordern deshalb eine zeitnahe Veröffentlichung des aktuellen Referenten-entwurfs, damit wir Bürger Einblick nehmen und somit an den politischen Entscheidungen teilhaben und mitbestimmen können.

 

Scheinbar ist Ihnen im Hinblick auf die Diskussion um den Klimawandel die ökologische Wertig- und Wichtigkeit unserer Wälder nicht bewusst, da Sie im Referentenentwurf des BWaldG der forstwirtschaftlichen Nutzung absolute Priorität einräumen. Diese Geringschätzung der Ökosystemleistungen hat mit einer naturnahen und schonenden Waldbewirtschaftung nicht das Geringste zu tun. Mit einer abgeschwächten Gesetzesvorlage geben Sie der Forst- und Holzwirtschaft einen „Freifahrtschein“ in die Hand, welcher es den profitorientierten Akteuren erlaubt, die noch vorhandenen intakten Wälder zu weiteren Holzplantagen mit dem Ziel umzubauen, auch weiterhin möglichst viel Holz aus dem Wald zu holen.

 

Wir bitten Sie deshalb um die Beantwortung folgender Fragen, die sich uns in der derzeitigen waldgefährdenden Situation aufdrängen:

 

  • Wie kann es sein, dass eine Regierung, die sich in der öffentlichen Darstellung für den Klima- und Biodiversitätsschutz einsetzen will, dem erkennbaren Druck der Forst- und Holzlobby nachgibt und damit die gesetzlichen Vorgaben zum Waldschutz auf nationaler und internationaler Ebene missachtet? Als da wären der Auftrag aus Art. 20a GG, das Bundesverfassungsgerichtsurteil von 1990 zum Wald, das EU-Umweltstrafrecht wie auch die aktuelle EU-Waldpolitik.
  • Wie ist es möglich, einer Forst- und Holzwirtschaft zu vertrauen, welche nachweislich über viele Jahrzehnte unsere Wälder systematisch zerstört und in Nadelbaumplantagen umgewandelt hat? Die großflächigen Ergebnisse dieser „Brotbaumpolitik“ sind heute unübersehbar.
  • Wie kann man einer Forst- und Holzwirtschaft immer noch die Verantwortung zur Bildung von „klimastabilen Wäldern“ übertragen, obwohl diese trotz aller Mahnungen und Warnungen von Wissenschaftlern und Experten stur an ihrer Ein- oder Zweibaum-Wirtschaft mit Altersklassenkulturen, Kahlschlägen und bodenschädigenden Flächenräumungen festhält und bewiesenermaßen das hektarweise Fichtensterben zu verantworten hat? Stattdessen fordern wir ein wirklich nachhaltiges Waldgesetz, das dafür sorgt, dass auch noch in Zukunft ein gesunder Wald mit all seinen Ökosystemleistungen für den Menschen und die naturnahe Waldbewirtschaftung erhalten bleibt.
  •  Wie kann man einer Forst- und Holzwirtschaft vertrauen, die über Jahrzehnte hinweg ökologische Grundsätze missachtet hat, die die Natur egozentrisch nach ihrem Willen formt und dabei unsere wertvolle ökologische Lebensgrundlage zerstört?
  •   Wie kann man einer Forst- und Holzwirtschaft vertrauen, die durch den Einsatz von tonnenschweren Erntemaschinen den Wald industrialisiert und wertvolle Arbeitsplätze vernichtet.
  • Wie kann man einer Forst- und Holzwirtschaft vertrauen, die behauptet “nachhaltig” zu wirtschaften, aber mit ihrer Maßlosigkeit und ihren naturwidrigen Arbeitsmethoden das massive Waldsterben mit zu verantworten hat?

Beispiele der forstwirtschaftlichen “Nachhaltigkeit”:

 

  • Nachhaltige Zerstörung der Waldböden und des Edaphons durch Befahren mit tonnenschweren Maschinen.
  • Nachhaltige Zerstörung des Waldinnenklimas durch übermäßige Baumentnahme.
  • Nachhaltige Austrocknung der Wirtschaftsforste und Wälder durch verstärkte Sonneneinwirkung und Wasserausleitung beim Wegebau.
  • Nachhaltige Verhärtung und Verdichtung der Waldböden, daraus resultierend nachhaltige Hochwassergefährdung.
  • Nachhaltige Zerstörung der Biodiversität.
  • Nachhaltige Zerstörung der Artenvielfalt.
  • Nachhaltige Zerstörung von Symbiosen - daraus resultierend nachhaltiges Baum- und Pflanzensterben  
  • Nachhaltige Beschleunigung der Erderwärmung.
  •  Nachhaltiges Austrocknen von Bächen und Versiegen von Quellen.

Diese forstwirtschaftliche „Nachhaltigkeit“, die nur auf rein wirtschaftliche Aspekte reduziert worden ist, muss mit einer entsprechenden Gesetzgebung eingeschränkt werden. Die maßlosen Fragmentierungen und Auflichtungen unserer Wirtschaftsforste und Wälder müssen ein Ende haben. Die bekannten Überschreitungen der planetaren Grenzen bei der biologischen Vielfalt (“Artensterben”), beim Stickstoffkreislauf (Überdüngungen) und bei der Klimaerhitzung können als Bedrohungslage nicht länger geleugnet werden. Die Regierung hat die Pflicht zur Gefahrenabwehr und muss in Verantwortung für künftige Generationen die Erhaltung der natürlichen Lebensgrund- lagen zum “überragenden öffentlichen Interesse” machen.

 

Ist es nicht anmaßend von der Politik, einerseits die Erhaltung des Regenwaldes zu fordern und dies mit Millionenbeträgen zu fördern, aber andererseits hier unsere Natur von einer rücksichtslosen Forst- und Holzwirtschaft regelrecht eliminieren zu lassen.

 

Unsere Wirtschaftsforste und Wälder sind keine Holzplantagen, sie sind unverzichtbarer Bestandteil unserer Lebensgrundlage.

 

Die Forstwirtschaft stuft die Wertigkeit unserer Wirtschaftsforste und noch vorhandenen Wälder nur nach ihrem wirtschaftlichen Nutzen ein, vergisst dabei aber offensichtlich, dass wir auf die lebenserhaltende Natur angewiesen sind, die Natur aber nicht auf uns.

 

Gesunde Waldökosysteme entwickeln sich aus sich heraus, sie brauchen keine menschlichen Eingriffe und Entwicklungshilfen. Daher bitten wir Sie als dafür verantwortlichen Minister, den Referentenentwurf zum BWaldG genau zu prüfen und entsprechend zu korrigieren.

 

Wie kann es sein, dass die angeblich intelligenteste Spezies auf diesem Planeten dabei ist, ihre Lebensgrundlage zu zerstören?

 

Ökologie muss vor Ökonomie stehen!

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Für die Waldschutzinitiativen in der BBIWS

 

Horst Schikora

 

Hetzelstraße 27

67433 Neustadt

E- Mail: horst.schikora@outlook.de

 

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