Kein Windrad im Wald!

Reihe: Schwerpunktthemen zum Neuen Bundeswaldgesetz, Teil 3

 

In diesem Jahr 2024 steht die Neufassung des Bundeswaldgesetzes auf der politischen Agenda. Das Ziel dieser Neufassung sollte dabei eine stärkere Fokussierung auf die naturnahe Erhaltung und Weiterentwicklung des Waldes sein. Gleichzeitig findet durch die 2% - Vorgabe der Bundesregierung für „Windenergie an Land“ im Rahmen der Energiewende eine umfangreiche Errichtung von Windkraftanlagen bevorzugt in den Wäldern statt.

 

Deshalb ist es wichtig, die Frage nach der Umweltverträglichkeit von Windkraftanlagen im Wald näher zu untersuchen und zu bewerten. Zum besseren Verständnis ist es erforderlich zunächst grundsätzliche Fakten zum Bau und Betrieb von Windkraftanlagen im Wald aufzuzeigen.

 

Das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) unterteilt Deutschland entsprechend der jeweiligen Windverhältnisse in vier Windzonen: Windzone 1 (Schwachwindstandorte), Windzone 2 (typische Binnenlandstandorte), Windzone 3 (küstennahe Standorte) und Windzone 4 (Küstenlinie).

 

Mit der Errichtung und dem Betrieb von Windkraftanlagen (WKA) werden technische Energieerzeugungsanlagen, also Kraftwerke, in bisher geschlossene Waldstrukturen, aber auch in Waldökosysteme installiert. Bei der Bewertung von WKA spielt die erzeugte elektrische Leistung eine entscheidende Rolle. Dabei zeigt sich, dass eine WKA, die an der Nordseeküste mit 100% Windgeschwindigkeit betrieben wird, im „windarmen Bayern (Windzone 1)“ bei nur noch halber Windgeschwindigkeit gerade noch 12,5 % ihrer elektrischen Leistung erbringt. Die Konsequenz daraus wäre, dass in Bayern acht Windkraftanlagen errichtet werden müssten, um die gleiche elektrische Leistung zu erzeugen. Das bedeutet aber wiederum, dass dafür eine erheblich größere Waldfläche zur Verfügung gestellt werden müsste. Alternativ dazu besteht auch die Möglichkeit die Windgeschwindigkeit dadurch zu vergrößern, indem das WKA deutlich höher wird, beispielsweise durch einen Anlagentyp mit einer Nabenhöhe von ca. 200 m. Gerade in windarmen Gebieten wie Bayern hat eine leistungsbedingt größere Anzahl an Windrädern sowohl einen größeren Flächenverbrauch als auch deutlich größere Bauhöhen zur Folge.

 

 

Flächenverbrauch (nur auszugsweise)

 

Basierend auf den veröffentlichten Zahlen des statistischen Bundesamtes (Stand: 20.9.2023) ergeben sich für den Anteil der Bodenfläche nach Nutzungsarten in Deutschland folgende Zahlen:

 

Nutzungsart                                                                    Anteil in % an der Fläche insgesamt

 

Gewässer                                                                           2,3

 

Straßenverkehr                                                                 2,6

 

Industrie- und Gewerbefläche                                        1,8

 

Zusätzlich zum täglichen Flächenverbrauch in Deutschland (ca. 56 Hektar pro Tag) sollen für den Bau und Betrieb von Windkraftanlagen in Deutschland weitere 2% zur Verfügung gestellt werden. Ein direkter Vergleich dieser 2% mit beispielsweise den 2,6 % für eines der dichtesten Straßenverkehrsnetze der Welt liefert ein Bild über den dadurch zusätzlich zu erwartenden Flächenverbrauch.

 

Die maximale Baumhöhe in den deutschen Wäldern liegt bei ca. 50 bis 60 m. Dagegen beträgt die Nabenhöhe von modernen Windkraftanlagen ca.200 m. Unter Berücksichtigung der Rotorlänge (60 bis 90 m) ergibt sich eine Gesamthöhe, die deutlich oberhalb der Baumwipfel der Wälder liegt. Damit verbunden ist eine dramatische Veränderung des bisherigen Landschaftsbildes, denn die Windkraftanlagen sind für die Bürger bereits aus größeren Entfernungen gut sichtbar.

 

Das für die Windkraftanlage erforderliche Fundament stellt einen erheblichen Eingriff in den Waldboden dar. Die exakten Radien (ca.25 m – 30 m) und Tiefen (ca.2,5 m – 4 m) der erforderlichen Fundamente werden dabei anlagenspezifisch bemessen. Das WKA-Fundament besteht aus einem Stahlgeflecht, das mit Beton vergossen wird. Zudem kann es erforderlich werden, dass zusätzliche Pfähle zur Stabilisierung in den Waldboden gerammt werden müssen. Die Zufahrtsstraßen müssen eine befestigte Breite von ca. 4,5 m haben, damit die großen Schwerlastkomponenten zur Baustelle transportiert werden können. Die Fundamente der Anlagen und Forststraßen verdichten den Waldboden irreversibel. Der Bau von Fundamenten für die Windkraftanlagen im Wald ist damit ein deutlicher Eingriff hinsichtlich der wichtigen Grundwasserneubildung.

 

 

Grundwasserneubildung, Trinkwasserversorgung, Hochwasserschutz

 

Die Grundwasserneubildung gehört zu den wichtigsten ökologischen Leistungen des Waldes. Der ökologische Zustand des Waldes und insbesondere des Waldbodens wirkt sich direkt auf die Qualität des Grundwassers aus. Das Grundwasservorkommen unter den Wäldern ist aufgrund der hohen Qualität die Ausgangsbasis für die Gewinnung des wichtigsten Lebensmittels Trinkwasser.

 

Deshalb werden die Brunnen innerhalb der Wasserschutzgebiete bevorzugt in den Wäldern errichtet, denn Wassergewinnung hat Vorrang vor der weiteren Bewirtschaftung der Waldfläche. Grundwasser wird überwiegend aus Niederschlag gebildet, der in den Boden infiltriert und über die Versickerung in tiefere Bodenschichten in den Grundwasserkörper abgeführt wird. Ein Hektar Waldboden kann bis zu drei Millionen Liter Wasser speichern. Die Grundwasserneubildung wird neben den klimatischen Verhältnissen insbesondere durch viele standortspezifische Faktoren beeinflusst, wie beispielsweise die Landnutzung, die Bodeneigenschaften und die Geländeform.

 

In der Regel werden im Wald auch keine Pflanzenschutzmittel eingesetzt, die vor der Verwendung als Trinkwasser wieder herausgefiltert werden müssten. Der Waldboden speichert das Wasser wesentlich besser als Felder, Wiesen und Äcker. Dadurch erreicht der Wald eine wesentlich bessere Schutzwirkung bei wetterbedingten Extremsituationen, er reduziert das Risiko vor Hochwasser oder Überschwemmungen.

 

 

Wald als Kohlenstoffspeicher

 

Mit jedem Hektar Wald, der für den Bau und Betrieb von Windkraftanlagen gerodet wird, wird auch seine gerade in der heutigen Zeit so wichtige ökologische Leistung der Kohlendioxid - Bindung und Sauerstofferzeugung reduziert. Auf der Basis der „Bundeswaldinventur“ gilt die Faustformel: Ein Hektar Wald speichert pro Jahr über alle Altersklassen hinweg ca. 10 – 12 t CO₂.

 

 

Beeinflussung des Microklimas durch Windkraftanlagen

 

Auf der Basis einer Studie der Harvard University, die im Magazin „Joule“ (1) veröffentlicht wurde, führen Windkraftanlagen vor allem nachts zu einem Anstieg der lokalen Temperaturen und beeinflussen somit das Microklima. Diese Untersuchungen wurden in 28 in Betrieb befindlichen Windenergieparks in den USA durchgeführt. Je nach Wetterlage, wie auch nach Tages- und Jahreszeit wird die vorhandene Wärme und Feuchtigkeit im Raum anders verteilt.

 

Für die für Windkraftanlagen im Wald erforderlichen Teilflächen muss Wald gerodet werden. Die ökologische Leistung des Waldes als natürliche Klimaanlage, in der die Feuchtigkeit besser gehalten wird, das Raumklima kühler ist und mehr Feuchtigkeit als Verdunstungskälte an die Umwelt abgegeben wird, entfällt auf diesen Rodungsflächen. Durch die großflächig aufgerissenen Kronendächer verändern sich die Temperatur- und Feuchtigkeitswerte negativ. Temperatur und Feuchtigkeit im Wald sowie der Wassergehalt des Bodens wirken sich aber auf die Nährstoffkreisläufe im Wald und auf die Artenvielfalt der Bodenlebewesen aus. Durch den Betrieb der Rotoren von Windkraftanlagen wird die lokale Bodentemperatur nochmals erhöht, während die Bodenfeuchtigkeit weiter reduziert wird.

 

 

Auswirkungen der WKA auf Insekten, Vögel und Fledermäuse

 

Im Rahmen einer Studie durch das Michael-Otto-Institut im NABU (2) wurden die „Auswirkungen regenerativer Energiegewinnung auf die biologische Vielfalt am Beispiel der Vögel und Fledermäuse“ untersucht. Der Schwerpunkt dieser Studie lag bei der Windenergienutzung, basierend auf 127 Einzelstudien aus 10 Ländern mit dem Schwerpunkt Deutschland.

 

Dabei zeigte sich, dass Anlagen zur Windkraftnutzung durchaus zu erheblichen Störungen und einer höheren Todesrate bei Vögeln und Fledermäusen führen. Die Verluste stehen dabei in direktem Zusammenhang mit der Umgebung. Das Unfallrisiko für Vögel und Fledermäuse wird auch bei größeren, neueren und moderneren Anlagen nur unwesentlich reduziert.

 

Anlagen in Wäldern oder deren Umgebung stellen dabei insbesondere für Fledermäuse eine große Gefahr dar. Fledermäuse kollidieren überwiegend auf ihrem Zug oder während der Quartiersuche im Spätsommer und Herbst mit den Rotorblättern, oder sie fallen dem Barotrauma zum Opfer (Verletzung innerer Organe durch Luftdruckunterschiede an Rotorblättern). Besonders kollisionsträchtig für Vögel sind Windparks an Feuchtgebieten. Auch nach Jahren der Errichtung von Windkraftanlagen stellt sich kein erkennbarer Gewöhnungseffekt bei Vögeln ein.

 

Als wesentliches Ergebnis der Studien muss hervorgehoben werden, dass Windkraftanlagen nicht an Seen, in Feuchtgebiete, in Wäldern oder auf Gebirgsrücken errichtet werden dürfen. Gerade an diesen Standorten kommt es zu den meisten Unfällen mit Vögeln und Fledermäusen. Windparks verstärken durch ihre Barrierewirkung das Unfallrisiko nochmals deutlich. Darüber hinaus sollten auch wichtige Rastgebiete und Zugkorridore weiträumig gemieden und von der Windkraftnutzung freigehalten werden.

Auf der Basis einer Studie des Leibnitz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) (4) sind gerade die Fledermauspopulationen von erheblichen Rückgängen betroffen. Hochrechnungen dazu gehen von ca. 200.000 getöteten Fledermäusen im Jahr an deutschen Windkraftanlagen aus (5). Da Fledermäuse nur eine sehr geringe Fortpflanzungsrate (maximal ein Jungtier pro Jahr) haben, wirken sich diese Verluste unmittelbar auf die Populationen aus. Dies hat natürlich auch Auswirkungen auf die jeweiligen Ökosysteme, in denen Fledermäuse eine regulierende Funktion einnehmen.

 

Basierend auf einer Modellstudie des „Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)“ (3) liegen in Deutschland die Verluste von Insekten durch Windkraftanlagen bei durchschnittlich 5-6 Milliarden Insekten pro Tag während der warmen Jahreszeit (ca. 200 Tage von April bis Oktober). Dieser Verlust an Insekten hat sicherlich Auswirkungen auf die Stabilität der Insektenpopulation und damit auf den Artenschutz (u.a. Vögel). Darüber hinaus werden diese Insekten der nachfolgenden Nahrungskette entzogen.

 

 

Tropenholz für Rotorblätter

 

Die Rotorblätter sind für einen effizienten und zuverlässigen Betrieb der Windkraftanlagen von erheblicher Bedeutung. Die Anforderungen an das dafür verwendete Material sind dementsprechend hoch. Windkraftanlagen werden zunehmend größer, leistungsstärker und zahlreicher. Die Rotorblätter müssen dadurch enormen Kräften standhalten. Das extrem leichte und zugleich aber sehr druckfeste und elastische tropische Holz ist deshalb das ideale Basismaterial für die Rotorblätter, das mit glasfaserverstärkten Kunststoffen verklebt wird.

Zwei Drittel des weltweit gehandelten Balsa-Holzes wird für die Windkraftanlagen verwendet. Bei 3 Rotorblättern pro WKA sind ca. 40 Kubikmeter Balsa-Holz erforderlich, was ca. 40 Balsa Bäumen entspricht. Dabei kommen etwa 80 % des weltweit gehandelten Balsa-Holzes aus Ecuador. Aus dem Bedarf an tropischem Balsa-Holz für die Rotoren von Windkraftanlagen resultiert somit ein Eingriff in den tropischen Regenwald. Dazu kommt die Verschlechterung der CO₂-Bilanz durch Rodungs- und Transporteffekte.

 

 

Fazit:

 

Der Bau und Betrieb von Windkraftanlagen im Wald ist ein gravierender Eingriff in ein weitgehend intaktes Waldökosystem. Die Frage nach der Umweltverträglichkeit von Windkraftanlagen im Wald muss deshalb abschließend als negativ bewertet werden. Es ist absolut nicht gerechtfertigt der Windkrafterzeugung im Wald eine höhere Priorität gegenüber den ökologischen Leistungen des Waldes einzuräumen. Diese gravierenden Eingriffe erstrecken sich auf alle ! ökologischen Leistungen und werden deshalb nachfolgend nochmals zusammenfassend herausgestellt.

 

1) Biodiversität, Artenvielfalt, Bodenschutz;

 

2) Grundwasserneubildung, Trinkwasserversorgung, Hochwasserschutz;

 

3) Erholung und Gesundheit der Bevölkerung;

 

4) Einhaltung aller in diesem Zusammenhang gültigen nationalen und internationalen Gesetze;

 

Darüber hinaus sind die täglich verursachten immensen Schäden an den einzelnen Populationen der Insekten, Vögel und Fledermäusen weder zu tolerieren noch zu akzeptieren.

 

Der Verbrauch von tropischem Balsa-Holz für die Rotoren wie auch die Auswirkungen auf das Microklima sind zusätzliche Argumente, die gegen den Bau und Betrieb von Windkraftanlagen im Wald sprechen.

 

Ein ganz entscheidender Aspekt ist die geforderte Einhaltung des „Wind an Land – Gesetzes“, wonach zusätzlich 2% der Fläche für Windkraftanlagen bereitgestellt werden müssen. Dies bedeutet aber gerade für Schwachwindstandorte wie Bayern eine vergleichsweise überproportionale Ausweisung an Flächen. Die tatsächlichen Betriebsstunden einer Windkraftanlage weichen oftmals von den angenommenen Auslegungsdaten (Windatlas) ab, sodass sich für Schwachwindstandorte nur ca. 2000 Vollaststunden elektrischer Energie pro Jahr ergeben. Zum Vergleich, ein Gaskraftwerk liefert Energie an 8760 Vollaststunden pro Jahr. Die Energiedichte von Windkraftanlagen ist im Vergleich zu konventionellen Energieträgern (100-mal geringer als Gas) deutlich geringer und führt damit zu einem wesentlich höheren Flächenbedarf.

 

Für die zwingend erforderliche Netzanbindung werden weitere große Flächen (im Wald?) benötigt, um darauf die Umspannwerke zu errichten.

 

Letztendlich ist mit dem Bau und Betrieb von Windkraftanlagen im Wald eine flächendeckende Industrialisierung der letzten Naturräume und Landschaften verbunden.

 

Herbert Fahrnbauer (BBIWS Bayern)

 

 

Quellenangaben:

 

1) Studie: Climatic Impacts of Wind Power; Authors Lee M.Miller, David W.Keith

 

Erschienen in: Joule, Volume 2, Issue 12, 19 December 2018, Pages 2618-2632

 

2) Windenergie und Vögel

 

https://bergenhusen.nabu.de/forschung/windenergie-und-voegel/index.html

 

3) Modellanalyse liefert Hinweise auf Verluste von Fluginsekten in Windparks

 

4) An Windkraftanlagen sterben insbesondere junge und ...

 

https://www.izw-berlin.de/de/pressemitteilung/an-windkraftanlagen-sterben-insbesondere-junge-und-weibliche-fledermaeuse.html

 

5) Fledermäuse und Windräder

 

https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/saeugetiere/fledermaeuse/wissen/15018.html#:~:text=Windr%C3%A4der%20werden%20immer%20wieder%20zur,teils%20von%20weit%20her%20kommen.