Bürgerantrag Naturnahe Waldbewirtschaftung im Kommunalwald

Bild copyright S. Ecker 2024
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Entwurf für einen Fraktions- oder Bürgerantrag im Gemeinderat/Stadtrat (oder Kreistag) zur naturnahen Waldbewirtschaftung

 

Alle 10 Jahre werden den waldbesitzenden Kommunen und Städten sogenannte Forsteinrichtungspläne vorgelegt, in denen die Bewirtschaftung des kommunalen Waldes und der Holzeinschlag festgelegt werden. Oft ohne gutes Basiswissen zur Waldsituation müssen die Gemeinderäte diesem Vorschlag zustimmen oder ihn ablehnen. Hier ist es im Sinne des Waldschutzes enorm wichtig, gut informiert zu sein, um entsprechende Entscheidungen für den eigenen Wald treffen zu können und ein einfaches "Abnicken" zu vermeiden.

Aber auch die Bürger der Kommune haben die Möglichkeit, Einfluss auf die Bewirtschaftung ihres Waldes zu nehmen!

 

Was viele nicht wissen: Dem Demokratieprinzip folgend sind die Sitzungen der kommunalen Gremien und damit auch die dazugehörigen Tagesordnungspunkte grundsätzlich öffentlich. Nur ausnahmsweise ist die Öffentlichkeit auszuschließen, wenn überwiegende Belange des öffentlichen Wohls oder berechtigte Interessen Einzelner es erfordern.

 

Hintergrund dieser Regelung ist die demokratische Notwendigkeit, dem Bürger ein Mitspracherecht einzuräumen und Themen bzw. Forderungen in die kommunalen Entscheidungen einbringen zu können. Weiterhin können Bürger ihre Themen, also auch einen Antrag zu einer  anderen Waldbewirtschaftung oder sogar zur Stillegung der Wälder, über die Ratsmitglieder , die Gremien oder Fraktionen auf die Tagesordnung einer Ratssitzung setzen lassen. Die Gemeinderäte wiederum können konkrete Anträge auf eine Veränderung der Waldbewirtschaftung einbringen und damit aktiv beraten und beschließen lassen.

 

Fazit:

Im Nachfolgenden finden Sie  hier also einen Leitfaden, wie Sie sich in ihrer Gemeinde einbringen und über die Gemeinderatsmitglieder einen Antrag auf eine andere Waldbewirtschaftung stellen können.

 

So haben Sie als Bürger der Kommune eine direkte Möglichkeit, Einfluss auf die Bewirtschaftung ihres Waldes zu nehmen!

 

 

 

 

Naturnahe Waldbewirtschaftung zur Förderung der Biodiversität und als wichtiger Beitrag zum Klimaschutz in den Wäldern der Städte und Kommunen

 

Die Wälder der Städte, Kommunen, Kreise und Kirchen sind Bürgerwälder, die vor allem dem Klimaschutz, dem Naturhaushalt, der Erholung und der Bewahrung des Landschaftsbildes dienen. Unsere Wälder sind darüber hinaus die wichtigsten Kohlenstoffspeicher, Wasserspeicher und “Wettermacher”, die für ihre Entwicklung und ihre vielfältigen pflanzlichen und tierischen Bewohner auch mehr große und alte Bäume enthalten müssen (“zunehmender Holzvorrat”). Zur Sicherung der Artenvielfalt und Biodiversität sind die Wälder unverzichtbar. Gerade die heutige Diskussion über den Klimawandel bekräftigt die Notwendigkeit dieser enorm wichtigen Ökosystemleistungen für Natur und Mensch und wird zudem durch das in Deutschland gültige Naturschutzgesetz gefordert.

 

Eine naturnahe Waldbewirtschaftung muss sich an den neuesten naturwissenschaftlichen und ökologischen Erkenntnissen zum Walderhalt orientieren und diese bei der Umsetzung der lokalen Waldentwicklung berücksichtigen (z. B. zu eintretenden Klimaszenarien, zur Resilienz heimischer Waldökosysteme oder zu Schaderregern an heimischen Baumarten).

 

Als erfolgreiches Beispiel kann in diesem Zusammenhang das sog. "Lübecker Modell" erwähnt werden, das der leitende Forstdirektor des „Bereiches Stadtwald“ der Hansestadt Lübeck, Dr. Lutz Fähser, von 1994-2010 entwickelt und für die Praxis dokumentiert hat.

 

Mit diesem nachweislich erfolgreichen Konzept der „Naturnahen Waldnutzung“ entwickeln Wirtschaftswälder eine hohe Naturnähe durch ein Minimum an Eingriffen Ein weiterer Vorteil ist dort die Ausweisung von mindestens 10 % des Waldes als Lern- und Erfahrungsfläche für natürliche Waldentwicklung. Das sowohl in der Theorie als auch in der Praxis kontinuierlich weiterentwickelte Konzept kann somit auch für weitere Forstbetriebe zur Grundlage einer naturnahen und schonenden Waldbewirtschaftung herangezogen werden.

 

Das Lübecker Modell erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) und die Zertifizierung durch Naturland e.V..

 Die Ergebnisse der Dokumentation über mehr als 20 Jahre zeigen darüber hinaus, dass die Strukturverbesserung der Wirtschaftswälder auch zu einer hohen Produktivität und Effizienz führt und zudem die waldspezifische Artenvielfalt und der Bodenschutz deutlich verbessert werden.

 

Zur Erreichung der oben genannten Ziele werden die nachfolgenden waldbaulichen Grundsätze als Antrag für die Waldbewirtschaftung formuliert und eingefordert:

 

 

1. Mehr Naturwaldentwicklungsflächen

 

Der Anteil nicht bewirtschafteter zusammenhängender Wälder wird auf mindestens 10 % der Waldfläche erhöht. Diese Wälder sollen sich langfristig zu Naturwäldern entwickeln und dem Erkenntnisgewinn dienen. Den Wäldern muss die Möglichkeit gegeben werden, sich den klimatischen Veränderungen anzupassen. Der Nutzungsverzicht auf diesen Flächen wird rechtlich gesichert.

 

Gerade bei der heutigen Diskussion über “klimaresistente Wälder” würden die bisher gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen aus diesen Naturwäldern zu wesentlich belastbareren Entscheidungen beitragen.

 

2. Mehr Totholz

 

Das städtische Biotop- und Totholzkonzept ist ein wichtiger integraler Bestandteil der städtischen Biodiversitätsstrategie. Totholz gilt als „Urwaldelement“ in unseren Wirtschaftswäldern und bietet Lebensraum für zahlreiche, oftmals gefährdete Tier- und Pflanzenarten. Ein hoher Totholzanteil im Wald ist von entscheidender Bedeutung für die Artenvielfalt. Die Erhöhung des Totholzanteils bleibt daher eine wichtige Zielgröße für unsere Waldwirtschaft. Dabei wird die oft verwendete Formulierung von „durchschnittlich zehn Biotopbäumen je Hektar“ erweitert durch die Formulierung “möglichst viele Biotopbäume und Totholz (stehend und liegend) je Hektar". In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass das wichtige Totholz nicht durch Kronenholzabfälle ersetzt werden kann.

 

3. Erhöhung des Laubwaldanteils

 

Die heutigen Erfahrungen mit den bisherigen Fichtenholz-Monokulturen zeigen einmal mehr auf, dass im Tiefland und den Mittelgebirgen in Zukunft eine deutliche Verschiebung zugunsten gesunder Mischwälder erfolgen muss. Dies wird zudem auch eindrucksvoll von den Ergebnissen des aktuellen Waldzustandsberichts bestätigt.

 

Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer beschleunigten Umwandlung reiner Nadelholzwaldflächen in klimastabile Laub- und Laubmischwälder unter Berücksichtigung der jeweiligen Bodenverhältnisse und Standortbedingungen.

 

Geeignete waldbauliche Mittel zur Erhöhung des Laubwaldanteils sind etwa der Voranbau von Pionierbaumarten (z. B. Birke, Robinie, Pappel), die den Folgegenerationen der Bäume Schatten spenden.oder die standortspezifische Förderung von Laubbäumen in Laubholz-Nadelholz Mischbeständen.

 

4. Steigerung des Laubholzvorrates

 

Die zunehmende Bedeutung der Wälder als Kohlenstoff- und Wasserspeicher erfordert eine deutliche Steigerung der standortspezifischen Holzvorräte und den Schutz alter Wälder, insbesondere des Altbestandes innerhalb der Baumgesellschaften. Um den steigenden Holzhunger in den Griff zu bekommen, muss die sogenannte Kaskadennutzung des Holzes erheblich erweitert werden, darüber hinaus muss die großtechnische Verbrennung von Laubholz deutlich reduziert werden.

 

5. Einzelstammentnahme im Laubwald

 

Zur Entwicklung mosaikartiger Strukturen aus verschiedenen Baumgenerationen werden in Laubwäldern zur Schonung der Waldböden und zur Vermeidung der Fragmentierung der Flächen durch Rückegassen Bäume vorzugsweise als Einzelstamm entnommen. Bei der Holzernte ist besonderer Wert auf den Erhalt des Kronenschlusses, des Waldinnenklimas sowie der Horst- und Biotopbäume und des stehenden Totholzes zu legen. Durch diese Form der schonenden Bewirtschaftung werden die sichtbaren Waldschäden bei der Holzernte deutlich reduziert. Gleiches gilt auch für die Lagerung und den Transport der eingeschlagenen Bäume.

 

6. Naturverjüngung „first“

 

Die Naturverjüngung hat grundsätzlich Vorrang vor der Pflanzung. Stellt sich innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Frist kein Mischwald ein, sind Freiflächen vorwiegend mit heimischen, standortangepassten Baumarten aufzuforsten. Dabei ist der natürlichen Sukzession durch Pionierbaumarten Raum zu geben. Außerdem soll, wo möglich und sinnvoll, auf die Saat und Nutzung heimischer Wildlinge zurückgegriffen werden. Diese Verjüngungsverfahren ermöglichen eine noch bessere Anpassung der Baumarten an ihren jeweiligen Standort und tragen zum Erhalt der genetischen Vielfalt bei.

 

7. Verbesserter Bodenschutz

 

Belegt durch umfangreiche wissenschaftliche Erkenntnisse ist der Schutz des Bodens im Hinblick auf das Bodenleben und den Wasserhaushalt unbedingt erforderlich und wird bei der aktuellen Waldbewirtschaftung bislang viel zu wenig berücksichtigt. Deshalb muss die verantwortliche Kommune dem Bodenschutz eine maximal mögliche Priorität einräumen. Diesem Ziel wird einerseits durch eine weitere Extensivierung der Befahrung bzw. durch den Einsatz von Rückepferden entsprochen, andererseits durch die verstärkte Ausnutzung technischer Möglichkeiten (bspw. Seiltechniken). Bei der Bewirtschaftung müssen sowohl die lokal vorhandenen Bodenverhältnisse, als auch die jahreszeitlichen Bedingungen und Wettereinflüsse berücksichtigt werden.

 

 

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