Bayern: Der Nürnberger Reichswald muss bleiben!

 von Herbert Fahrnbauer

 

Der Nürnberger Reichswald muss bleiben!

Das ist zumindest die Überzeugung vieler Menschen, die mit ihren umfangreichen Einwendungen zum aktuellen Raumordnungsverfahren nochmals gezeigt haben, dass sie den Bau und den Betrieb eines von der Deutschen Bahn geplanten ICE-Instandhaltungswerks im Bannwald an den Standorten Muna-Nord, Jägersee-Forst und Roth-Harrlach ablehnen.

 

Bei der Übergabe von ca.22.000 Einwendungen (Einzeleinwendungen und Sammeleinwendungen) an die Regierung von Mittelfranken wurde dabei erneut deutlich, wie wichtig den Bürgern ihr mehrfach geschützter Wald ist. Dies hatte sich bereits in der Vergangenheit abgezeichnet, als ca. 51.000 Unterschriften im Rahmen einer Veranstaltung in Ansbach von den beteiligten Bürgerinitiativen an die Regierung von Mittelfranken übergeben wurden.

 

Dieses aktuell großartige Ergebnis konnte vor allem deshalb erreicht werden, weil die aktiven Mitglieder der Bürgerinitiativen von Röthenbach, Harrlach und Feucht in enger gemeinsamer Abstimmung, unermüdlich und hochmotiviert ihre Ideen erfolgreich umgesetzt haben.

 

Zum besseren Verständnis sollte deshalb nochmals hervorgehoben werden, dass die Deutsche Bahn aktuell ein ICE-Instandhaltungswerk nur und ausschließlich in einem mehrfach geschützten Wald-Ökosystem errichten und betreiben will. Diese äußerst wertvollen Waldökosysteme beheimaten zahlreiche seltene und geschützte Tiere und Pflanzen, von denen viele bereits auf den „Roten Listen“ registriert sind. Die betroffenen Standorte sind Muna-Nord, Jägersee-Forst und Roth-Harrlach, die sich alle in unmittelbarer Nähe zur Stadt Nürnberg in Bayern befinden.

 

Standort Muna-Nord
Standort Muna-Nord

Beim Standort Muna-Nord handelt es sich um eine Fläche, die seit dem 2. Weltkrieg militärisch genutzt wurde und damit mit erheblichen Altlasten aus dieser Zeit kontaminiert ist. Die genannten Altlasten bestehen im Wesentlichen aus einem Sicherungsbauwerk (Sarkophag), der die hochtoxischen Kampfstoffe „Lost“ (Senfgas, Hautgift) und „Clark 1“ (Atemwegsgift) enthält, sowie erheblichen Mengen an Munition und Munitionsresten (Minen, Granaten). Weiterhin befand sich auf diesem Gelände ein ehemals militärisch genutztes Treibstofflager, dessen kontaminierte Flächen den verantwortungslosen Umgang mit wassergefährdenden Stoffen heute noch aufzeigen.

 

Aufgrund der Gefahrenpotenziale dieser vorhandenen Altlasten und des damit verbundenen jahrzehntelangen Betretungsverbotes konnte sich im Reichswald in den vergangenen 70 Jahren ungestört eine einzigartige Flora und Fauna entwickeln. Dieser äußerst wertvolle Lebensraum bildet heute somit die Heimat für viele Spechtarten, wie Klein-, Mittel-, Bunt- und Schwarzspecht. Darüber hinaus haben sich auf den offenen Wiesenflächen weitere Bewohner wie Schwarzkehlchen, Heidelerche, Neuntöter, Feldschwirl, Wendehals, sowie von den Bodenspechten der Grün- und Grauspecht angesiedelt. In den Explosionskratern von damals haben sich im Laufe der Zeit Tümpel und Teiche gebildet, die aktuell ein reichhaltiges Amphibienvorkommen beheimaten. Die Kreuzkröte und die Gelbbauchunke sind in diesem Zusammenhang besonders hervorzuheben.

 

Eine großflächige und tiefgründige Räumung des Geländes ist dagegen eine wesentliche und damit zwingende Voraussetzung für den Bau dieses ICE-Instandhaltungswerkes, das auf einer Fläche von ca. 46 ha gebaut und betrieben werden soll. Die Räumung und damit Beseitigung der Altlasten wurde den Bürgern von der Deutschen Bahn und ihren politischen Unterstützern als der wesentliche Vorteil schlechthin verkauft. Inzwischen musste der Bürger aber feststellen, dass insbesondere auf eine Räumung der Fläche mit dem größten Gefahrenpotenzial – dem Sarkophag – verzichtet werden soll. Gemäß der Planungsunterlagen der Deutschen Bahn sollen die tonnenschweren ICE-Züge in einem geringen Abstand von nur ca. 40 m an dem Sarkophag vorbeifahren. Diese Planungsgrundlage gilt im Übrigen auch für den Standort Jägersee-Forst.

 

 

Standort Jägersee-Forst
Standort Jägersee-Forst

Der Standort Jägersee-Forst schließt sich in südlicher Richtung unmittelbar an den Standort Muna-Nord an. Dieses äußerst wertvolle Vogelschutzgebiet zeichnet sich insbesondere durch Schwarzspecht, Baumpieper, Wespenbussard, Waldschnepfe, aber auch Pirol und Waldlaubsänger aus. Darüber hinaus kommen auf dieser Fläche, einschließlich der unmittelbar angrenzenden ökologisch besonders naturnahen Krugsweiher und des Muna-Nord Gebietes, bis zu 17 Fledermausarten vor. Dabei ist insbesondere die Population des großen Abendseglers hervorzuheben. Diese ökologisch wertvollen Krugsweiher sind das Ergebnis von Ausgleichsflächen, die im Rahmen von erheblichen Eingriffen der Deutschen Bahn in den Reichswald für die ICE-Neubaustrecke Nürnberg-München in der Vergangenheit geschaffen wurden. In den letzten 10 Jahren konnten im Bereich der Krugsweiher über 30 Tagfalter-Arten, 21 Libellen-Arten und über 80 Vogelarten nachgewiesen werden.

 

Ein kritischer Blick in die Planungsunterlagen der Deutsch Bahn zeigt ein ICE-Instandhaltungswerk, in dem die erforderlichen Reinigungs- und Wartungsarbeiten insbesondere in den Nachtstunden durchgeführt werden müssen. Als Konsequenz daraus ergibt sich die Notwendigkeit für eine großflächige, taghelle Beleuchtung. In diesem Zusammenhang ist noch hervorzuheben, dass das Werk 7 Tage die Woche 24 Stunden betrieben werden soll.

 

Die großen Verlierer bei der Umsetzung dieses Bauvorhabens sind vor allem die nachtaktiven Tiere, wie Insekten, Vögel und Fledermauspopulationen, denen wirklich jegliche Überlebenschance dadurch genommen wird.

 

 

   Standort Roth-Harrlach
Standort Roth-Harrlach

Der Standort Roth-Harrlach ist Teil des europäischen Natura 2000- Schutzgebietes. Neben dem bedeutenden Vorkommen des Trauermantels, beheimatet dieses Gebiet auch alle Spechtarten, den Wespenbussard, den Baumpieper und verschiedene Kleineulenarten, wie Sperlingskauz und Raufußkauz. Besonders erwähnenswert sind darüber hinaus ein Brutpaar des Schwarzstorches und eine der letzten größeren Ziegenmelker Populationen.

 

In diesem großflächig geschlossenen und gesunden Mischwaldgebiet erfolgt die Grundwasserbildung, die zwingend erforderlich ist, um der Stadt Fürth auch weiterhin hochwertiges Trinkwasser zur Verfügung zu stellen.

 

Ein kritischer Blick in die Planungsunterlagen der Deutschen Bahn zeigt, dass ein wesentlicher Arbeitsumfang im Werk darin besteht, die ICE-Züge innen und außen gründlich zu reinigen. Entsprechend erster Berechnungen werden dazu über das Jahr gesehen Trinkwassermengen benötigt, die dem Verbrauch einer Kleinstadt entsprechen. Wo wertvolles Trinkwasser zur Reinigung von ICE-Zügen verbraucht wird entsteht Abwasser, das demzufolge wieder über Kläranlagen aufbereitet werden muss.

 

Nimmt man die aktuellen Meldungen über sinkende Wasserstände in den Flüssen und Seen wirklich ernst, dann muss man der natürlichen Grundwasserbildung wesentlich mehr Gewicht einräumen. Denn nur dadurch kann eine zuverlässige Versorgung mit unserem wichtigen Lebensmittel Trinkwasser sichergestellt werden.

 

Es kann gar nicht oft genug betont werden, dass es sich bei allen 3 von der Deutschen Bahn favorisierten Standorten um mehrfach geschützte Waldökosysteme handelt. Welchen Wert hat der Schutzstatus für Bannwald, Natura 2000 und Vogelschutzgebiet, wenn diese 3 Standorte zur abschließenden Bewertung der „Raumverträglichkeit“ zusätzlich ein Raumordnungsverfahren durchlaufen müssen?

 

Die bisher erreichten Ergebnisse – 51.000 Unterschriften, ca. 22.000 Einwendungen zum Raumordnungsverfahren- zeigen nochmals sehr deutlich, welchen Wert der gesunde Wald für den Bürger hat. Dieser Bürger wird weder den Verlust seines Naherholungsgebietes am Jägersee noch eine erhebliche Beeinträchtigung seines in unmittelbarer Nähe zum Rothsee liegenden Waldgebietes akzeptieren.

 

Neben der bereits erwähnten drastischen Lichtverschmutzung wird dem Bürger zusätzlich noch eine Lärmbelastung, insbesondere nachts, zugemutet. Denn, bevor die ICE-Züge das Werk verlassen, muss noch ein Hupentest mit einem Schallleistungspegel von 120 dB (A) durchgeführt.

 

Die betroffenen großflächigen Waldgebiete haben zudem die wichtige Funktion einer natürlichen Klimaanlage für die Stadt Nürnberg und die umliegenden Gemeinden. Wie wichtig diese Funktion für die Bevölkerung ist, lässt sich gerade aktuell nach dem vergangenen heißen Sommer und der „tropischen Nächte“ in der Innenstadt beurteilen.

 

Die aktiven Mitglieder der Bürgerinitiativen aus Feucht, Röthenbach und Harrlach haben mit umfangreichen Veranstaltungen die Bürger informiert und im Hinblick auf die erforderlichen Einwendungen fachlich unterstützt.

 

Die Veranstaltungen der Deutschen Bahn konnten dagegen die Bevölkerung nicht davon überzeugen, dass die Mobilitätswende nur dadurch möglich sein soll, wenn dafür zuallererst ca. 46 ha wertvolle Waldfläche gerodet werden müssen. Auch die Gewichtung der Deutschen Bahn, wonach betriebliche Erfordernisse wie beispielsweise eine maximale Fahrzeit zum Werk von 15 Minuten höher zu bewerten sein sollen, als der gesetzlich festgeschriebene Schutzstatus des Bannwalds, Natura 2000 und Vogelschutzgebietes. Oder, dass betriebswirtschaftliche Gründe wie eine maximale Entfernung zwischen Hauptbahnhof Nürnberg und Werk von 25 km einen höheren Stellenwert genießen sollen, als die zwingende Notwendigkeit einer natürlichen Klimaanlage im Nürnberger Raum bzw. die absolut erforderliche Bereitstellung von hochwertigem Trinkwasser für die Stadt Fürth. Darüber hinaus haben sich viele Bürger auch gefragt, wie sich die Deutsche Bahn auf der Basis der für ca. 70 Standorte durchgeführten Planungsarbeiten und der daraus resultierenden Auswahlverfahren geradewegs und ausschließlich für diese 3 aktuell im Raumordnungsverfahren befindlichen Standorte entscheiden konnte. Bemerkenswert ist dabei eine nach wie vor sehr geringe Planungstiefe, die auch aus den von der Deutschen Bahn aktuell für das Raumordnungsverfahren eingereichten Unterlagen ersichtlich ist.

 

Aus der Sicht der Bürgerinitiativen kommt deshalb im Rahmen der angestrebten Mobilitätswende nur ein Standort im süddeutschen Raum in Frage, der sich auf einer bestehenden Industriefläche und nicht in einem mehrfach geschützten Waldgebiet befindet.