Heute wurde eine neue Studie „Der Wald in Deutschland auf dem Weg in die Heißzeit“ vorgestellt, die Greenpeace bei der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in
Eberswalde beauftragt hat und die relevante Erkenntnisse für alle Waldschutzinteressierten liefert.
Für diese Studie wurden mit neuer Methodik die Waldschäden in Deutschland aus den Extremsommern 2018 – 2020 untersucht. Das Forschungsteam um den Leiter der Studie, Professor Pierre Ibisch, hat
dazu hochaufgelöste Satellitenbilder der NASA und ESA (sogenannte Fernerkundungsdaten) benutzt, um über die so gewonnenen Daten relevante Rückschlüsse auf die Vitalität der Wälder in
verschiedenen Zeiträumen ziehen zu können. Diese Bilder können übrigens im Internet kostenlos heruntergeladen werden – ein wertvoller Fundus für wissenschaftliche Erhebungen, die ansonsten nur
mit einem immensen kostenintensiven Aufwand umgesetzt werden könnten.
Wie ging man vor: das Forschungsteam verglich Waldbilder aus dem Jahr 2018 mit identischen Ausschnitten aus 2020. Erschreckendes aber für Waldschützer durchaus erwartbares Ergebnis: 7 % der
Waldfläche Deutschlands sind deutlich geschädigt, 1 % ist völlig abgestorben. Das klingt irgendwie harmlos, ist es aber nicht. Die Flächen sind, wie wir alle wissen, gigantisch. Greenpeace
begründet den Anlass für die Studie übrigens auch mit dem Hinweis, dass das Landwirtschaftsministerium einseitig zur Entwicklung des Waldes in den Dürrejahren berichtet habe. Die Rolle der
Forstwirtschaft wurde dort überwiegend außer Acht gelassen.
Waren es also in der Vergangenheit die Fichtenmonokulturen, die ehemals gesunde und resiliente Laubwälder in monetär ertragreiche aber anfällige Forste verwandelten, so sind es nun neue Fehler
wie etwa die kahlschlagartige Räumung der Borkenkäferflächen und die intensive Befahrung der Böden, die dem Wald die Chance zur schnellen und klimaangepassten Wiederbewaldung nehmen.
Kostengünstiger wäre die Natur hier allemal im Gegensatz zu aufwendigen Pflanzaktionen, denn gepflanzte Bäume wachsen anerkanntermaßen nie mehr so gut wie solche im Rahmen einer natürlichen
Wiederbewaldung mit Pionierbäumen (Birke u.a.). Sie beschatten den Boden und bereiten ihn hervorragend für andere Baumarten vor.
Die großen Kahlschläge haben zudem den immensen Nachteil, dass sie an heißen Tagen zusätzlich den Boden aufheizen und die bereits entstandenen Schäden potenzieren. Die von Julia Klöckner geforderte und geförderte Maßnahme der schnellen Schadflächenräumung hat diese nicht nur des Sonnenschutzes durch Totholz beraubt (in abgestorbenen Bäumen ist der Borkenkäfer nämlich längst ausgeflogen), sondern hat vor allem den Boden durch starke Verdichtung und Austrocknung seiner natürlichen Humusschicht geschädigt und die Wasserspeicherfähigkeit im Turbogang heruntergefahren. Keine gute Basis also für das Wachstum junger Bäume. Und noch dazu gast dieser Boden, wie Ibisch erklärt, jahrelang CO2 aus.
Kein Wunder, dass das Landwirtschaftsministerium sich zu seiner Kahlschlagpolitik in Schweigen hüllt. Möglicherweise auch deshalb, weil sich aktuell eine monetär gewinnträchtigere Verwendung der
„vorgeschädigten Kahlflächen“ anbietet. Ob das zukunftsweisend ist – Wald versus Energiegewinnung – steht auf einem heftig umstrittenen anderen Blatt. Ulrich Matthes, Leiter des Kompetenzzentrums
für Klimafolgen in Rheinland-Pfalz betont jedenfalls, das Wald durch die Fähigkeit der CO2 Bindung einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz leiste und er deshalb in seiner Vitaltität erhalten
werden müsse.
Das Wegweisende an dieser Studie aus Eberswalde: dadurch, dass man große Waldflächen anhand frei verfügbarer Satellietendaten studieren und weiter beobachten kann, lassen sich auch und gerade
wichtige Erkenntnisse für den forstwirtschaftlichen Umgang mit den Wäldern ableiten. Die Studie zeigt nämlich ebenso deutlich, dass dichte, wenig durchforstete Buchenwälder weniger gelitten haben
und teilweise sogar ihre Vitalität leicht steigern konnten. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass die waldbaulich geprägten Flächen von vornherein benachteiligt waren. Ein wichtiges Lernfeld für
die Zukunft, die uns noch weit größere Probleme als drei Dürrejahre bereiten wird.
Die Erkenntnisse der Studie jedenfalls dürften dem Landwirtschaftsministerium nicht in die Karten spielen, denn hier sieht man den Borkenkäfer als hauptsächlichen Urheber der Probleme, dem man
mit Schwermaschineneinsatz begegnen muss und dabei gleich noch die angeblich klimawandelanfällige Buche miterntet. Die dicken alten Buchen gelten dort als „besonders anfällig“, so dass die
Schirmschlagwirtschaft mit der bekannten Auflichtung der Altbuchenwälder und deren Überführung in junge Altersklassenwälder deutschlandweit scheinbar ungebremst weitergeht.
Stattdessen sollen fremde Baumarten und Pflanzungen neuer „Nadelbrotbäume“ wie etwa der Libanonzeder, Japan-Lerche oder Scheinzypresse (Stichwort „assistierte Migration“) das Ruder im Wald
herumreißen. Eine Strategie, die an waldumbautechnischer Überheblichkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Denn ebensowenig wie der Mensch die nächsten Klimawandeljahre in der Art der Veränderung
voraussehen kann, so sollte er nicht erneut seine Wünsche an den Wald mit neuen verheerenden Planungen realiseren. Wald ist eben kein Holzacker, sondern ein sensibles Ökosystem, das sich selbst
etablieren muss, um bestehen zu können. Wenn der Wald selbst es nicht schafft, wird der Mensch es erst recht nicht können. Aber hierzu fehlt in Holzwirtschaftskreisen leider immer noch die ökohumanistisch geprägte,
demütige Einsicht.
Susanne Ecker
Die Studie zum Nachlesen:
https://www.greenpeace.de/presse/publikationen/der-wald-deutschland-auf-dem-weg-die-heisszeit
Was bedeutet Ökohumanismus?
ZDF-Fernsehbeitrag:
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/klima-wald-kahlschlag-100.html