"Vor ein paar Jahren hatte ich noch die Vorstellung, dass Wälder in Naturschutzgebieten, insbesondere durch die Europäische Union geschützte NATURA-2000-Gebiete, dafür eingerichtet wurden, diesen Gebieten Schutz zu geben. Als aber vor zwei Jahren an einem der schönsten Plätze, die es im Naturschutzgebiet am Felsenmeer im Lautertal gibt, viele schöne Buchen durch die Sägen von Waldarbeitern krachend zu Boden fielen, wurde mir klar, dass auch hier der Schutz des Buchenwaldes keinen Vorrang hat. In einem Telefonat mit dem Forstamt sprach der Produktionsleiter klare Worte: Hier werden Holzernte- und Pflegemaßnahmen durchgeführt, ganz gleich, ob es Naturschutzgebiet ist oder nicht. Die Eingriffe gingen seitdem weiter, ein Baum nach dem anderen verschwindet aus diesem einzigartigen Naturschutzgebiet aus Felsen und Bäumen.
Ich war mit meinen Sorgen um den Erhalt des Waldes nicht alleine. Mitglieder des NABU Seeheim-Jugenheim und eine Gruppe von Naturfotografen beschlossen, gemeinsam eine Petition auf den Weg zu bringen, die ein Ende der forstwirtschaftlichen Nutzung in diesem Gebiet fordert. Viele weitere Bürgerinitiativen und Naturschutzgruppen, u.a. der NABU Landesverband haben sich mittlerweile dieser Petition angeschlossen." (Yvonne Albe)
Wir bitten deshalb um Unterstützung der laufenden Petition, um dieses schützenswerte Waldgebiet zu erhalten:
Schützt das Naturschutzgebiet am Felsenmeer!
https://www.change.org/p/gemeinde-lautertal-sch%C3%BCtzt-das-naturschutzgebiet-am-felsenmeer
Worum es geht:
Das Felsenmeer auf dem Felsberg im Lautertal zählt zu den herausragenden Naturräumen Europas. Aus diesem Grunde hat die Europäische Union das Naturschutzgebiet Felsberg zum Natura 2000 Gebiet erhoben. Das Schutzziel dieses Flora-Fauna-Habitats ist es, den natürlichen Lebensraum von Pflanzen und Tieren zu erhalten. Der Wald am Felsberg ist ein Ort von überregionaler Bekanntheit. An diesem Ort wird die Verschmelzung von Natur, Geologie und Historie auf einzigartige Weise erlebbar. Der Felsberg ist Teil des UNESCO Global Geoparks Bergstraße-Odenwald.
Das Naturschutzgebiet wird von vielen Menschen aufgesucht, weil es in seinem Charakter unverkennbar ist. Zwischen den Felsen, die einst von Römern behauen wurden, wachsen formschöne Bäume. Ihre beeindruckenden, teils riesigen Wurzelgeflechte verwachsen mit den Felsen. Der Buchenwald gibt diesem Ort seine eindrucksvolle und einzigartige Ästhetik.
Im Bewirtschaftungsplan für das FFH-Gebiet Felsberg bei Reichenbach heißt für die verschiedenen Buchenwaldtypen:
Doch die forstwirtschaftliche Praxis, wie sie in den letzten Jahren praktiziert wird, sieht anders aus:
Auflichtung durch zahlreiche Fällungen
Immer mehr Bäume verschwinden aus diesem schützenswerten Naturraum. An vielen Stellen ist das Kronendach in den letzten Jahren aufgerissen worden. Die Schirmschläge der vergangenen Jahrzehnte rächen sich mit Trockenschäden an den verbliebenen Buchen. Das Waldinnenklima wurde beschädigt und der Wald anfälliger gegen Trockenschäden gemacht. Wo Bäume gefällt wurden und wo sich aus eigener Kraft keine Bäume mehr etablieren können wie in den stark verdichteten Bereichen, wurden keine Ersatzpflanzungen vorgenommen. Alte Bäume gibt es kaum noch.
Studien zum Waldinnenklima und zur Kronendachbedeckung zeigen, dass Waldbestände, in denen das Bestandesinnenklima intakt ist, stabiler und in Trockenzeiten kühler sind. Das bedeutet, dass der Verlust des Kronendaches mit einer zusätzlichen, drastischen Erwärmung einhergeht, die sich negativ auf die Gesundheit der Pflanzen am Waldboden und auf Bäume in der Nähe auswirkt.
https://science.sciencemag.org/content/368/6492/772
https://www.nature.com/articles/s41559-019-0842-1
Windwurf wird durch die Maßnahmen zudem wahrscheinlicher. Der Dienstleister HessenForst ignoriert bei seinen Maßnahmen die aktuelle Studienlage zum Waldbau in Zeiten des Klimawandels und riskiert damit, dass weitere Bäume durch Trockenschäden (Sonnenbrand) absterben werden.
Kahlschläge
Es ist zudem aufgrund erkrankter Fichten zu Kahlschlägen gekommen. Diese Vorgehensweise ist innerhalb eines Naturschutzgebietes nicht zu rechtfertigen. Wissenschaftler befürworten, tote Käferbäume aus mehreren Gründen stehen zu lassen: die Artenvielfalt wird durch das Totholz erhöht und die natürlichen Feinde des Borkenkäfers können sich so besser vermehren. Auch tote Bäume spenden Schatten und sind damit wichtig für den Erhalt des Waldinnenklimas und die nachwachsende Baumgeneration. Durch die Entnahme der Bäume wird die Anfälligkeit der angrenzenden Waldflächen zudem erhöht, Böden verarmen.
https://www.waldwissen.net/de/waldwirtschaft/schadensmanagement/insekten/kaeferbaeume-stehen-lassen
Andere Forstämter wie das Forstamt Bad Hersfeld praktizieren bereits diesen sinnvollen Umgang mit Käferholz:
Bodenschäden
Durch das Naturschutzgebiet ziehen sich zahlreiche Rückegassen, die den Boden in seiner Funktionsweise stark beeinträchtigen. Jüngst wurden in unmittelbarer Nähe zum Naturschutzgebiet bei Forstarbeiten drastische Bodenschäden und weitere Baumschäden durch Forstmaschinen dokumentiert, die sich auf das Naturschutzgebiet auswirken werden - Wasser kann nicht mehr versickern und läuft hangabwärts in den verdichteten Rückegassen ab.
Die Forstwissenschaft hat die Folgen der Befahrung des Waldbodens durch Forstfahrzeuge vielfach dokumentiert und erforscht. Die Bodeneigenschaften, die Wasser- und Nährstoffspeicherfähigkeit gehen verloren, wichtige Bodenorganismen wie Pilze und Waldbodenbewohner werden unwiederbringlich zerstört. Werden durchweichte Böden befahren, wiegen die Schäden noch schwerer. Im unteren Teil des Felsberges wurden nichtsdestotrotz in dieser Einschlagsaison bei starken Regenfällen Durchforstungsmaßnahmen mit schweren Maschinen vorgenommen.
Verletzungen durch Forstmaschinen und Fällungen
Bei den Forstarbeiten wurden zudem viele Bäume verletzt. Die Verletzungsrate ist in diesem Gebiet sehr hoch. An durch Forstmaschinen verletzten Bäume entwickeln sich mit der Zeit wundinduzierte Störzonen, die den Baum entwerten. Feuchtigkeit und Pilze dringen durch die Wunden in das Innere des Baumes ein und machen ihn anfälliger gegenüber Krankheiten.
https://www.waldwissen.net/de/waldwirtschaft/schadensmanagement/wirkung-von-rindenschaeden
Anpflanzung nicht heimischer Baumarten
Im Leitbild des Bewirtschaftungsplanes für das FFH-Gebiet Felsberg ist der „Erhalt und die Förderung lebenstraumtypischer Baumarten“ festgehalten. Nicht heimische Baumarten sind im Natura 2000 Gebiet Felsberg nicht zu fördern. Dennoch werden im Naturschutzgebiet immer wieder Douglasien und andere nicht lebensraumtypische Baumarten angepflanzt, was im Widerspruch zur FFH-Richtlinie steht.
Waldtypische Gefahren
Das Waldgebiet hat ein hohes Besucheraufkommen. Dennoch dürften Fällungen aus Gründen der Verkehrssicherheit nur in dem Umfang stattfinden, in dem die Gesundheit des Waldes keinen Schaden leidet. Auflichtungen und Beeinträchtigungen des Waldinnenklimas sind in Anbetracht der klimatischen Prognosen Gift für den Wald, der weitere Schädigungen aufgrund von Trockenheit nach sich zieht. Der Wald braucht zudem kranke und tote Bäume, um seine in ihm lebenden Arten zu erhalten. Hier müssen andere Wege gefunden werden, um dem Wald eine Chance zu geben, im Klimawandel zu bestehen. Andere Forstbetriebe haben diesbezüglich schon Lösungen gefunden, wie z.B. die Forstbetriebsgemeinschaft Saar-Hochwald:
https://www.fbg-saarland.de/pdf/SZ-Bericht%20FBG%2020.01.2021.pdf
Da in Naturschutzgebieten die Gesundheit der Natur Vorrang haben sollte, besteht auch die Möglichkeit, Waldbesucher auf Schildern vor waldtypischen Gefahren zu warnen.
Die Verkehrssicherungspflicht wird häufig als eine unumgängliche Tatsache hingestellt. Fakt ist: Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil 2012 klargestellt, dass das Betreten von Wald und Waldwegen auf eigene Gefahr erfolgt. Ein Urteil des Oberlandesgericht Naumburg vom Dezember 2020 machte deutlich, dass es auch keine Verkehrssicherungspflicht im Wald für akute Gefahren, sogenannte „Megagefahren“ gibt. Das gilt auch für stark frequentierte Wanderwege und Premiumwanderwege. Grundsätzlich gilt: Der Waldbesucher ist für seine eigene Sicherheit selbst verantwortlich:
https://www.wanderverband.de/presse/pressemeldungen/wandern-auf-eigene-gefahr
Dieses Naturschutzgebiet hat echten Schutz verdient!
Bisher hat der Schutz der Natur in diesem Naturschutzgebiet nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Wirtschaftliche Interessen standen im Vordergrund. Schon seit 2011 war eine Teilstilllegung im Gemeindegebiet Lautertal geplant, die aber seither nicht umgesetzt wurde. Die Stadt Bensheim hat bereits eine kleine Naturwaldfläche im Naturschutzgebiet Felsberg ausgewiesen.
Aus diesem Grunde sollen die Gemeinden Lautertal und Bensheim sowie Privatwaldbesitzer, denen dieser Wald gehört, mit dieser Petition überzeugt werden, den Wald nicht mehr forstlich zu nutzen. Er soll sich zu einem Naturwald entwickeln dürfen. Dabei werden die Teile in den stark frequentierten Bereichen ausgenommen, da sie in der Zukunft Pflege brauchen werden.