Am 03. September 2020 erschien die gefeierte Pressemitteilung des Ministeriums für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten Rheinland-Pfalz unter Leitung von Ministerin Ulrike Höfken: „Alte, geschlossene Buchenwälder werden im rheinland-pfälzischen Staatswald besonders vor den Folgen des Klimawandels geschützt, indem dort vorerst keine planmäßige Holzernte mehr stattfindet“.
Ein wichtiger Schritt zum Schutz der Wälder gegen die Austrocknung in Dürresommern und zur Förderung der Biodiversität, für die alte Bäume in intakten Wäldern unabdingbar sind und doch kaum mehr vorkommen. Eine Forderung also, die noch in besonderem Maße für Naturschutzgebiete gelten muss, in der jegliche Forstwirtschaft der Pflege und nicht vorrangig der Holzvermarktung dienen darf. Pikante Anmerkung zu dieser Waldschutzoffensive: in den Regionalzeitungen, in denen die Forstamtsleitungen ständig präsent sind, wurde über das Einschlagsmoratorium kaum berichtet.
Was Waldschützer im streng geschützten Naturschutzgebiet „Pfälzer Moorniederung“ entdeckt haben, bestätigt aber die Ankündigung eher als reines Lippenbekenntnis oder grundlegendes forstliches "Missverständnis". Im genannten NSG gibt es nämlich noch einige sehr alte Eichen- und Rotbuchenbestände. Teilweise stehen diese weit abseits von Verkehrswegen und in geschlossenen Verbänden, so dass hier eine Verkehrssicherungspflicht nicht zum Tragen kommt.
An einer Stelle mit vielen alten Rotbuchen, weit jenseits der 100 Jahre, sind frische Fällmarkierungen angebracht. Rotbuchen mit Umfängen zwischen 180 cm und 330 cm sollen offensichtlich bei nächster Gelegenheit – oder spätestens nach Ablauf des Altbaummoratoriums Ende 2021? - gefällt werden. Je nach Standort (Bodenverhältnisse, Sonneneinstrahlung, Niederschlag, usw.) entspricht ein Umfang ab ca. 180 cm bei Rotbuchen ungefähr einem Alter von 100 Jahren (Mitchell-Formel).
Wie der zitierten Pressemitteilung zu entnehmen ist, gilt „der besondere Schutz (...) für Buchen im Staatswald, die über 100 Jahre alt sind, keine Gefahr für Menschen darstellen oder Baumnachwuchs oder lichtbedürftige Mischbaumarten bedrängen und in einem geschlossenen Bestand vorkommen“ – also, wenn sich die Kronen der Bäume berühren und so ein vor Sonneneinstrahlung schützendes Kronendach ausbilden. All diese Kriterien sind gegeben. Das NSG mit seinen besonderen Zielen, die die Forsten „pflegend“ unterstützen sollen, stellt einen zusätzlichen Schutzanspruch dar.
Um nun Bäume aus diesem Bereich ernten bzw. abfahren zu können, würden mit ziemlicher Sicherheit schwere Maschinen eingesetzt - ein äußerst fragwürdiger Eingriff in ein Naturschutzgebiet „von landesweiter Bedeutung für den Arten- und Biotopschutz“ wie man aus der Rechtsverordnung NSG „Östliche Pfälzer Moorniederung“ lesen kann. Zu den Fällmarkierungen könnte man jetzt vielleicht von Seiten der Landesforsten einwenden, dass diese schon vor der Bekanntmachung des Moratoriums angebracht wurden. Dann stellt sich aber um so mehr die Frage, was die Entnahme von alten Biotopbäumen ausgerechnet im Naturschutzgebiet rechtfertigen soll, zu dem auch ausdrücklich naturnahe Waldbereiche zählen (s.u. Text der Verordnung)? Derart knorrige Bäume finden übrigens nur noch als Brennholz oder geschreddert Verwendung. Dafür opfert man dann einen wertvollen Biotopbaum im NSG.
Entweder möchte man im Hinblick auf bevorstehende Wahlen dem grünen Ministerium, das bislang kaum Interesse an effektivem Waldschutz gezeigt hat (Zitat sinngemäß noch aus jüngster Zeit, mit dem Pfälzerwald sei alles in bester Ordnung), mit Hilfsleistungen für den sterbenden Wald ein nettes „klimawirksames“ Aushängeschild verpassen, oder aber Ministerin Höfken hat die Forstamtsleitungen nicht im Griff und es gilt weiterhin der flächendeckende Vorrang der Holzwirtschaft. Dafür spricht, dass auch noch im gesamten Bereich des Naturschutzgebietes, wie man an den Fällmarkierungen sehen kann, weiter durchforstet werden soll.
Es ist für den Steuerzahler weiterhin nur schwer nachvollziehbar, wieso man an der einen Stelle kostenintensiv mit Jungbäumen (Eichen, Pappeln) aufforstet, während an anderer Stelle, genau diese Baumarten, also Eichen, Pappeln und Birken gefällt werden. Vor allem schnellwüchsige Birken und Pappeln stellen sich als Pionierbaumarten ja von selbst ein, wenn man der Natur freien Lauf lässt.
Der weitere „Umbau“ vom derzeit noch großflächig natürlichem Wald im NSG zur Forstplantage wird erschreckend deutlich. In den Randbereichen stellen die Landesforsten mit der üblichen Schirmschlagmethode die Zielbäume frei. Die Auswirkung direkter und intensiver Sonneneinstrahlung ist schon sichtbar. Viele Buchen, die jahrzehntelang von Nachbarbäumen beschatten wurden, zeigen jetzt erhebliche Sonnenbrandschäden oder sind schon abgestorben.
Daraus ergibt sich garantiert und wie von selbst die in Pressemitteilung erwähnte Gefahrenquelle durch herunterbrechendes Totholz. Weiterhin wird dieser Bereich durch die Öffnung der vorher geschlossenen Waldgesellschaft mittelfristig entwässert. Das spielt gerade in den aktuellen Dürrejahren eine wesentliche Rolle für den Feuchtehaushalt des gesamten Gebietes.
Auch die Wildkatze muss sich wohl neue Wanderkorridore suchen
Ein weiteres Schmankerl in diesem Gebiete für den Wildtierschutz: in den letzten beiden Jahren wurde südlich des Naturschutzgebietes parallel zur Bundesstraße 40 ein Radweg gebaut. Dafür mussten einige Hektar Wald verschwinden, an einige Stellen so viel, dass man sich fragt, ob für die nahegelegene amerikanische Airbase ein Ausweichrollfeld eingeplant wurde. Und genau dort verläuft „der Wildkatzenkorridor…durch die bewaldete Fläche an der Grenze zur Gemarkung Kaiserslautern inmitten des Siedlungsbandes zwischen Kaiserslautern und Kindsbach“ (https://www.einsiedlerhof-kl.de/Unser-Stadtteil/Unser-Wald/). Der Waldstreifen bot hier den Wildkatzen die einzige geschützte Möglichkeit, aus dem Pfälzerwald in Richtung Norden zu wandern. Die Lebensräume dieser streng geschützten, seltenen Katze funktionieren leider nicht „parzellenweise“.
„Die Europäische Wildkatze steht als Leitart stellvertretend für die Artengemeinschaft naturnaher älterer Waldlebensräume, insbesondere Buchen- und Eichenmischwälder. Sie ist auf große, zusammenhängende, naturnahe und störungsarme Wälder mit vielfältigen Strukturen und Biotopbestandteilen angewiesen und zeigt damit die Qualität eines von ihr bewohnten Gebietes im Hinblick auf Vielfalt an“. (Quelle: https://naturschutz-initiative.de/naturschutz/wildtiere/wildkatze)
Auszug aus Rechtsverordnung über das Naturschutzgebiet „Östliche Pfälzer Moorniederung“ Stadt und Landkreis Kaiserslautern vom 16. Dezember 1999
§ 3 Schutzgegenstand und Schutzzweck
Die Pfälzer Moorniederung ist in ihrer Gesamtheit ein Kernraum von landesweiter Bedeutung für den Arten- und Biotopschutz. Wegen der besonderen Standortverhältnisse (vernässte Böden mit Moorbildung in frostgefährdeter Muldenlage) hat sich ein für Rheinland-Pfalz einzigartiges Gebiet ausgebildet. Wegen des großflächigen Auftretens feuchter und nasser Standorte und der extensiven Nutzung großer Bereiche konnten sich zahlreiche, für diese Standorte typische und heute zum Teil sehr seltene bzw. stark gefährdete Lebensgemeinschaften wildwachsender Pflanzen und wildlebender Tierarten ansiedeln und überleben. Eine ganze Reihe von Pflanzenarten hat innerhalb der Pfälzer Moorniederung ihren Verbreitungsschwerpunkt innerhalb des Landes, einige Vorkommen sind sogar von bundesweiter und manche sogar von europäischer Bedeutung.
Die seltenen und gefährdeten Pflanzenarten konzentrieren sich vor allem auf Zwischenmoore und Kleinseggenriede, aber auch auf die mageren Grünlandbereiche und die Gräben mit sehr guter Wasserqualität. Aus zoologischer Sicht ist das Gebiet bedeutsam für typische Bewohner von Feuchtgebieten und Mooren, zum Teil finden sich darunter extrem seltene Tierarten. Ein Indikator für die herausragende Biotopfunktion des Gebietes ist die hohe Zahl nachgewiesener Vogelarten. Bei den Libellen ist fast die Hälfte aller gefährdeten Arten der Roten Liste Rheinland-Pfalz in dem Gebiet vertreten.
Der östliche Teil der Pfälzer Moorniederung bildet einen bedeutenden Verbreitungsschwerpunkt von Wald- und Grünlandbiotopen feuchter bis nasser Standorte sowie von Moorbereichen und Gewässern. Im Osten dominieren geschlossene Waldbestände mit kleineren Wiesenbereichen und Moorstandorten, im Westen ausgedehnte Grünlandflächen neben größeren Waldbeständen. (2) Schutzzweck ist die Erhaltung und Entwicklung der östlichen Pfälzer Moorniederung mit Mooren, extensivem Grünland, naturnahen Wäldern und Gewässern als großen zusammenhängenden Feuchtlebensraum für dort typische, seltene und gefährdete wildwachsende Pflanzen und wildlebende Tierarten im Zusammenhang mit und in Ergänzung zu ihrem Westteil. Der Schutz erfolgt außerdem wegen ihrer besonderen Eigenart, Seltenheit und zum Teil hervorragenden Schönheit.