Korbacher NABU und Waldexperte kritisieren Forstpraxis in einem Buchenwald-Schutzgebiet bei Korbach
Anläßlich des von verschiedenen Naturschutzorganisationen ausgerufenen „Tages der deutschen
Buchenwälder“ (am 25. Juni 2020) kritisieren der Korbacher Landschaftsplaner und Buchenwald-
Experte Norbert Panek sowie die NABU-Gruppe Korbach die landkreis- und hessenweit üblichen,
forstlichen Praktiken in den nach EU-Recht geschützten sogenannten Natura 2000-Gebieten scharf.
Panek macht seine Kritik am Beispiel des bei Korbach gelegenen Natura 2000-Gebiets „Dalwigker
Holz“ fest. Das orchideenreiche, ökologisch hochwertige Gebiet sei in den letzten Jahren aus
Naturschutzsicht durch forstliche Maßnahmen systematisch entwertet worden.
Panek kennt das rund 80 Hektar große Waldgebiet „Dalwigker Holz“ seit rund 20 Jahren und
verfolgt dort kritisch die Entwicklungen, die sich seit Ausweisung als Natura 2000-Gebiet
abgezeichnet haben. Insbesondere registriert er eine dramatische Abnahme der Buchen-
Altholzbestände im Gebiet und eine verstärkte Zunahme von Aufforstungen mit lebensraumfremden
Baumarten, insbesondere mit Douglasien im südlichen Bereich des Gebiets.

Douglasien bedrohen Buchenwald-Lebensraum
Für das Gebiet wurde erst 2016 ein sogenannter „Maßnahmenplan“ vom zuständigen Forstamt
Diemelstadt erstellt. Die Grundlage für diesen Plan war eine völlig veraltete, sogenannte
„Grunddatenerhebung“ aus dem Jahr 2008. Darin werden die genannten Douglasien-Pflanzungen
unter der Überschrift „Beeinträchtigungen und Störungen“ zwar erwähnt und deren Entferung aus
dem Lebensraumtyp „Orchideen-Kalkbuchenwald“ vorgeschlagen. Faktisch sei aber keine einzige
Douglasie entfernt worden, und im letzten Jahr musste Panek feststellen, dass in dem Hangbereich
noch weitere Flächen mit Douglasien aufgeforstet wurden.

Die Nicht-Beseitigung bzw. diese aktuell erfolgten Aufforstungen würden, so Panek, nicht nur gegen das sogenannte FFH Verschlechterungs-verbot (FFH= Abkürzung für Fauna-Flora-Habitat), sondern auch gegengeltendes, nationales Naturschutzrecht verstoßen. Nach § 30 des Bundesnaturschutz-gesetzes seien explizit „Wälder auf trockenwarmen Standorten“ generell geschützt. Zu diesen Waldtypen zählen auch Orchideen-Buchenwälder. Ihre noch naturnahen Bestände seien sogar bundesweit von „vollständiger Vernichtung“ bedroht.
Panek hatte das für das Natura 2000-Gebiet zuständige Regierungspräsidium in Kassel bereits im April 2020 schriftlich aufgefordert, zu erklären, weshalb die Douglasien entgegen der Empfehlung der „Grunddatenerhebung“ sowie des Maßnahmenplanes nicht beseitigt wurden bzw. die genannten Aufforstungen zugelassen wurden. Bis heute hat das Regierungspräsidium nicht reagiert.

Regierungspräsidium schweigt
Panek moniert ferner die großflächig abgeräumten Buchen-Altbestände im nordöslichen Teil des
genannten Natura 2000-Gebiets, wo auf einer Fläche von ca. sieben Hektar nur noch einzelne
Altbäume, sogenannte „Überhälter“, mit einer großflächig dichten und eintönigen Naturverjüngung
vorhanden seien. Der dort zu schützende Lebensraum weise keine geschlossene Altbaumschicht
mehr auf , habe seinen „Waldcharakter“ und somit seine Lebensraum-Funktion weitestgehend
verloren. Panek kritisiert außerdem, dass diesem degradierten Buchenbestand im Maßnahmenplan
ein „guter Erhaltungszustand“ attestiert wird. Im Maßnahmenplan heißt es: „Die Erhaltung der
Lebensräume wird … durch eine naturnahe forstliche Bewirtschaftung des Gebiets gewährleistet.“
Nach Paneks Auffassung sei diese Bewirtschaftung, ein sogenannter „Großschirmschlag“, alles
andere als naturnah.
Das „Dalwigker Holz“ ist zudem bekannt für seine artenreichen Orchideen-Vorkommen. Aufgrund
dieser Vorkommen galt das Gebiet früher als eines der reichsten in ganz Hessen. Während dort in
den 1990er Jahren noch rund 16 Arten vorkamen, wurden 2008 nur noch sechs Arten kartiert. Panek
wollte vom Regierungspräsidium in Kassel wissen: Sind die Standorte bekannt? Wie werden die
Vorkommen vor forstlichen Eingriffen (z. B. Befahrung mit Ernte-Maschinen/ Schleppern)
geschützt? Findet ein Monitoring statt? Auch hierzu erhielt Panek bisher keine Antwort.
EU-Vertrag verletzt
Die Mängel im „Dalwigker Holz“ seinen symptomatisch für nahezu alle Wälder, die in Waldeck-
Frankenberg und in Hessen unter EU-Schutz stehen. So beklagt der Korbacher NABU-Vorsitzende
Dr. Peter Koswig, dass beispielsweise auch beim Natura 2000-Schutzgebiet „Wald bei Netze“ die
Planung des Regierungspräsidiums Kassel sogar eine Verminderung der für den Naturschutz
besonders wichtigen Altbäume vorsieht. Hauptproblem: Es werden für die einzelnen Gebiete weder
gebietspezifische Erhaltungsziele noch konkrete Schutzmaßnahmen definiert, die im Vollzug auch
wirklich quantifizierbar bzw. messbar sind.
Zudem seien die Kriterien, nach denen der Zustand derzu schützenden Lebensräume (z. B. Buchenwälder) bewertet würden, nicht nur in Hessen unzureichend. Wegen dieser mangelhaften Umsetzung hat die EU-Kommission zwischenzeitlich bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland angestrengt. Das Verfahren schwebe noch, so Panek. Unabhängig davon fordert er weiterhin dasRegierungspräsidium auf, zu den Eingriffen im Gebiet „Dalwigker Holz“ Stellung zu nehmen.